082 - Das Geheimnis der Kristalle
-, vermutlich träumte sie wieder. Ihre Brüste hoben und senkten sich im gleichmäßigen Rhythmus ihrer Atemzüge. Aruula war nur bis zu den Hüften zugedeckt, und Matt konnte sehen, dass ihre Rechte auf ihrem nackten Bauch lag.
Er legte seine Hand daneben, fühlte ihre warme Haut und konzentrierte sich auf das, was darunter im Körper der Geliebten wuchs; das Kind. Sein Kind?
Manchmal bildete er sich ein, Bewegungen unter der Haut zu spüren, aber selten, und ganz sicher war er sich nie. Was sollte aus dem Kind werden? Wenn er in knapp dreißig Stunden in die Tiefe des Sees aufbrach, würde er es vielleicht nie zu Gesicht bekommen. Würde es überhaupt normal sein? Konnte es überhaupt noch gesund zur Welt kommen nach allem, was Aruula in den letzten Monaten widerfahren war…?
Und schon hatten ihn seine wilden Gedanken wieder umzingelt. Er grübelte und grübelte, war für kurze Zeit überzeugt, dass sein Kind vollkommen gesund sein würde, glaubte kurz darauf wieder sicher zu wissen, dass es als bizarre Mutation zur Welt käme; war sicher, es zu sehen, fürchtete es niemals zu sehen, strich in Gedanken den Tauchgang vom Programm, setzte ihn wieder darauf, und so weiter.
Stundenlang quälte er sich auf diese Weise.
Irgendwann stand er auf und trat an die Maueröffnung. Der Mond war nur noch ein milchiger Fleck über dem See.
»Warum willst du dort hinunter?«, flüsterte Matt. »Sag es mit einem Satz, oder kehr um und gib auf.«
Die Frage brachte das Chaos in seinem Schädel schlagartig zur Ruhe. Glasklar stand sie vor ihm, und er stellte sich ihr. Als könnte sein Blick die Wassermassen durchdringen, Hunderte von Metern tief und Hunderte von Kilometern weit sehen, fixierte er den See - ein Mann, der sich selbst gegenüber Rechenschaft ablegte, ob und warum es sich lohnte, sein Leben in die Waagschale zu werfen.
»Strahlung«, murmelte er. »Konzentrierte CF-Strahlung im Zentrum des Kratersees; die Karte spricht eine klare Sprache. Was folgt daraus? Kristalle. Wir werden so viele Kristalle dort unten finden, dass wir sie nicht zählen können. Aber darum geht es nicht. Natürlich sind sie dort unten, das weiß ich, aber sie liegen nicht nur herum. Sie haben etwas mit der Welt getan. Genauer gesagt: Die Macht im See benutzt die Kristalle, um diese Welt, ihre Menschen und Tiere zu verändern. Und offenbar kann man mit ihr kommunizieren; Smythe und Crow haben es erlebt.«
»Gott im Himmel. Es war alles geplant…!«
Lynne Crows letzte Worte, bevor der Funkkontakt abriss.
Und der beste Grund, das Wagnis einzugehen.
Matt atmete tief durch, straffte seinen Rücken und sagte dann ziemlich laut: »Ich will da runter, weil ich die Chance sehe herauszufinden, was sie mit der Welt anstellen und warum sie es tun. Punkt.« Er drehte sich um und ging zu seinem Lager zurück. »Und wenn wir es wissen, können wir vielleicht etwas dagegen unternehmen.« Er legte sich hin und umschlang Aruula mit Armen und Beinen.
Kurz darauf dämmerte der neue Morgen herauf. Das bekam Matthew Drax schon nicht mehr mit. Er schlief tief und fest.
***
Fast zwölf Stunden danach glitt der Mann aus der Vergangenheit in einem fleischigen Gewebepaket, das sich vollkommen seinen Körperformen anpasste, durch ein Seegras-Feld, vorbei an riesigen Findlingen und einem verbogenen Ding, dass entfernt an einen Ölbohrturm erinnerte.
Matt blickte durch eine transparente Membran wie durch das Plexiglasvisier eines Pilotenhelms. Leuchtzellen an ihrem unteren und oberen Rand, also an Stirn und Kinn, warfen ein phosphoreszierendes Licht in jede Richtung, in die er blickte.
Gut fünfzehn Meter weit erhellte das Licht ein Blickfeld von etwa sechs Metern Breite.
Nachts auf dem Fahrrad hat man weniger Licht, dachte Matt - bis ihm bewusst wurde, dass es in dieser neuen Welt keine Fahrräder mehr gab. Er hatte zumindest noch keines gesehen.
Er glitt über den ansteigenden Seegrund dem Ufer entgegen.
Flossenartige Auswüchse an Schulter- und Beinteilen erhöhten die Manövrierfähigkeit der Tauchhülle. Durch Drucksignale in der inneren Handflächenschicht konnte Matt deren Schwimmbewegungen drosseln oder verstärken. Eine Düse auf dem Gewebehelm saugte Wasser an, presste es durch einen Kanal im Rückenteil, und eine Düse über dem Steiß stieß das Wasser wieder aus. So funktionierte der Hauptantrieb.
Grashalme strichen über die Außenschicht des bionetischen Tauchanzugs. Matt bemerkte es nicht. Selbst wenn er gegen einen Stein oder ein aus dem
Weitere Kostenlose Bücher