0820 - Horror-Baby
berichtete mir davon, wie sie am Abend auf einer Bank gesessen und einen Kinderwagen gesehen hat, der von ganz allein fuhr.«
»Dann ist Rosie hier!« keuchte Jake.
»Zumindest in der Nähe«, schwächte Linda ab. »Dieses Thema wollte ichmit dir nicht besprechen, mir geht es mehr um die Swan, wenn du verstehst. Ich halte sie für gefährlich, Jake. Sie ist eine einsame Person, die gern redet, wenn sie zu jemandem Vertrauen gefasst hat. Das war auch bei mir der Fall. Sie hat sich regelrecht ausgeweint. Es wäre vielleicht besser, wenn ich sie besuche.«
Hamilton überlegte. »Es wird aber kein sehr freundlicher Besuch werden, denke ich mal.«
»So ist es. Ich möchte das vollenden, was unser Kind begonnen hat.«
Der Architekt schaute auf die Uhr. »Ja, du solltest es tun, meine Liebe. Und wenn du zurückkehrst, werden wir Rosie suchen. Wir müssen sie endlich finden und ihre Spuren verwischen.«
»Gut, dann werde ich jetzt zu Miss Swan gehen.«
»Ja, ich warte auf dich…«
***
Selma Swan legte den Hörer wieder auf. Dieser Polizist hatte eine Art an sich, die ihr doch ein gewisses Vertrauen gab. Er hatte ruhig gesprochen, und er hatte ihre Aussagen vor allen Dingen nicht in Frage gestellt. Er schien genau zu wissen, was er wollte, er war offenbar ein Mann der Tat.
Selma wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis Sinclair eintraf, doch wenn er kam, wollte sie sich wenigstens ein wenig frisch gemacht haben.
Zu ihrer Mini-Wohnung gehörte auch ein Mini-Bad, das sie nun betrat und sofort die Tür eines schmalen Schranks aufzog. Er war im Innern durch zahlreiche Regale unterteilt, und Selma bewahrte darin ihre Kosmetika auf. Zuvor warf sie einen Blick in den Spiegel, und wieder einmal erschrak sie über sich selbst. Ihr Gesicht zeigte zahlreiche Narben, denn die tieferen Wunden waren noch längst nicht verheilt. Nach wie vor schimmerten sie leicht blutig.
Sie hatte sich keine Pflaster auf die Haut geklebt, sie verzichtete auch jetzt auf Puder, kämmte nur durch das dichte Haar und zog die Lippen nach.
Zufrieden war Selma nicht, aber ändern konnte sie es auch nicht.
Sie wusch ihre Hände und verließ das Bad.
In ihrer Wohnung war es ruhig, deshalb erschrak sie um so sehr, als sie die Klingel hörte. Unwillkürlich duckte sich die Frau und dachte daran, dass Sinclair noch nicht bei ihr sein konnte. Da hätte er wirklich fliegen müssen.
Wer wollte dann zu ihr? Selma konnte sich nicht vorstellen, dass sie an diesem Tag und um diese Zeit noch Besuch bekam. Es gab keine Freunde, die sich angemeldet hätten, und ohne Anmeldung erschien niemand bei ihr, auch kein ehemaliger Freund.
Warum sie zitterte, wusste sie selbst nicht genau. Vielleicht deshalb, weil sie an das Erlebnis dachte, das hinter ihr lag. Dieser verdammte Kinderwagen, der…
Ding-Dong…
Der unbekannte Besucher ließ sich nicht abhalten, und schon dieses zweite Klingeln hatte Selma als eine Folter empfunden.
»Sie sind doch da, Selma, oder nicht?«
Auf einmal hörte sie die Stimme. Es war Mrs. Hamilton, der sie sich anvertraut hatte, und Mrs. Hamilton hatte ihr gegenüber Verständnis bewiesen. Selma war froh, dass sie vor der Tür stand, denn für eine Frau aus demselben Haus galt die Warnung des Polizisten sicherlich nicht.
Deshalb öffnete sie auch. Erst die Sperrkette weg, dann den Schlüssel im Schloss gedreht, danach der kurze Ruck, mit dem sie die Tür nach innen aufzog.
Vor ihr stand Linda Hamilton und lächelte. Selma war von der Kleidung der anderen Frau überrascht, denn Mrs. Hamilton trug nur einen seidenen Morgenmantel und darunter einen Body.
»Ach, Sie sind es.«
Linda lachte. »Wieso? Haben Sie jemand anderen erwartet?«
»Nein, das nicht. Ich kriege nur selten Besuch und…«
»Darf ich eintreten?«
»Ja, gern.«
»Danke.« Linda Hamilton schob sich an Selma vorbei. Ihr Lächeln war geblieben, nur die Augen hatten sich etwas verengt.
»Es tut mir Leid, aber diese Wohnung ist nicht sehr groß, im Gegensatz zu ihrer, aber ich bin…«
»Bitte, Selma, es kommt doch nicht auf die Wohnung an, sondern auf den Menschen, der darin lebt.« Fest schaute die Besucherin Selma in die Augen, die wegen der Antwort etwas verlegen wirkte, die Schultern hob, sich scheu bedankte und Mrs. Hamiltonschließlich in ihren kleinen Wohnraum führte.
»Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
»Gern.« Mit einer grazil anmutenden Bewegung ließ sich die Frau auf die kleine Couch nieder, deren Stoff aus schlichtem braunen Cord bestand. Mit der
Weitere Kostenlose Bücher