0820 - Horror-Baby
Jake den Weg freizumachen.
Die Hamiltons bewohnten kein Haus, sondern eine Vierzimmerwohnung in einem normalen Neubau ziemlich weit oben.
Sie hatten sich vorgenommen, nicht aufzufallen, obwohl sie sich bei ihrem Einkommen gleich mehrere Häuser hätten leisten können.
Aber es gab für sie gute Gründe, es nicht zu tun. Zu den Nachbarn verhielten sie sich freundlich distanziert, sodass über sie nicht geredet werden konnte.
Hamilton betrat den Wohnraum. Hinter sich hörte er die katzenhaften Schritte seiner Frau. Linda hatte die dünnen Vorhänge vor das große Fenster gezogen, sodass der Raum nur mehr in ein schwaches, leicht dämmriges Licht getaucht wurde.
Hamilton ließ sich in den beigen Sessel vor dem Glastisch fallen.
Seine Frau blieb stehen. Sie zitterte leicht und hatte die Unterlippe vorgeschoben. »Dein Geruch«, flüsterte sie. »Er… er … macht mich an. Du hast dich …«
»Ja, ich habe.«
Als Antwort erhielt er ein Knurren. Plötzlich fuhr ihre überlange Zunge aus dem Mund und leckte die Lippen nebst ihrer Umgebung ab. »Warum bist du das Risiko eingegangen?«
»Man hat mich in der Tiefgarage überfallen. Irgendein verdammter Junkie.«
»Ach?« Linda lächelte. »Lebt er noch? Oder hast du ihn zerfetzt, sein Blut geleckt und sein Fleisch…?«
»Nein, er ist geflohen.«
»Aber er hat dich gesehen?«
Hamilton nickte. »Ja, was aber nicht schlimm ist. Einem Typen wie ihm glaubt sowieso niemand.«
»Das will ich hoffen.«
Hamilton stand auf und zog sein Jackett aus. Er warf es auf die Couch, die Krawatte folgte. Seine Frau bewegte sich nicht. Sie wartete auf eine bestimmte Frage und wurde nicht enttäuscht.
»Wo ist Rosie?«
Linda Hamilton sagte nichts. Sie hob nur die Schultern und schaute ins Leere, wobei sich eine Unmutsfalte auf ihrer Stirn bildete.
»Du hast sie nicht gefunden?«
»Nein, und den Wagen auch nicht.«
Scharf saugte Hamilton die Luft ein. Er ballte die Hände. »Das ist gefährlich, Linda. Das kann unsere Tarnung auffliegen lassen. Wir sollten alles versuchen, um das Kind zu finden.«
»Es ist aber nicht da.«
Er funkelte sie an. »Du bist die Mutter! Du stehst mit Rosie in einer anderen Verbindung als ich. Hast du die Kleine nicht gesehen?«
»Nur gespürt!« zischte Linda. Sie glitt auf die Lehne des zweiten Sessels und blieb dort hocken. »Ja, ich habe Rosie gespürt. Ich weiß, dass sie sich nicht allzu weit von hier aufhält. Ich weiß auch, dass sie sich immer wieder zeigt. Ich habe etwas gehört. Nachbarn sprechen davon. Der Kinderwagen ist des Öfteren gesehen worden, und in den Nachrichten wurde auch von einem ungewöhnlichen Autounfall berichtet, wobei der Fahrer auf mysteriöse Weise ums Leben kam.«
»Wie denn?«
»Man hat ihm das Gesicht und den Hals zerrissen.« Linda lachte schrill. »Das entspricht unserem kleinen Liebling. Rosie ist das geworden, was wir wollten, Jake.«
»Nein, sie ist es zu früh geworden. Sie ist eine von uns, aber sie ist gleichzeitig eine Missgeburt. Sie ist unserer Kontrolle entglitten und hat uns damit in Gefahr gebracht. Man hat sie gesehen, es gibt Zeugen, und sehr lange kann das nicht gut gehen.«
»Man wird den Zeugen nicht glauben«, sagte Linda. »Was nicht sein darf, kann nicht sein.«
Hamilton schüttelte den Kopf. »Darauf können wir uns nicht verlassen, verdammt.«
»Was willst du tun?«
»Rosie finden.«
»Wann?«
»Jetzt. Das genau ist der Grund, weshalb ich mein Büro verlassen habe.«
Linda nickte. »Ja, aber da ist noch etwas, das ich dir sagen wollte.«
»Was?«
»Du kennst eine gewisse Selma Swan?«
»Ja, sie wohnt hier im Haus.«
»Richtig, in der ersten Etage. Und auch sie hat unser Kind gesehen, mein Lieber.«
Hamilton sagte zunächst einmal nichts. Dann räusperte er sich und fragte: »Woher weißt du das?«
»Ich habe sie im Hausflur getroffen und auch angesprochen, Jake«, sagte die Frau schon beinahe mit knurrender Stimme. »Sie hatte blutige Kratzer im Gesicht und war ziemlich verstört. Die Wunden in ihrem Gesicht wurden von Krallen verursacht, das habe ich gleich erkannt.«
»Rosie?«
»Ja. Sie ist unserem Kind begegnet.« Linda holte tief Atem. »Und sie ist nicht die Einzige.«
»Du hast mit ihr gesprochen?«
Das Lächeln der Frau nahm wieder etwas Katzenhaftes an. Sie rückte von der Sessellehne weg und auf ihren Mann zu. »Natürlich habe ich das«, sagte sie leise und kraulte dabei das graue Haar des Architekten. »Ich war sehr freundlich zu ihr, und Miss Swan
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