0825 - Böse kleine Elena
Holztisch stellte, sodass er von drei Weingläsern umrahmt wurde.
»Ist er das?«
»Ja«, sagte Harry Stahl, »das ist der Schädel einer gewissen Elena Scott.«
Der Geistliche saugte die Luft tief ein. Dann schloss er für einen Moment die Augen, als wollte er den Kopf nicht mehr sehen, der sich völlig normal präsentierte, sogar mit den leeren Augenhöhlen. »Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Ihr Vater. Wilbur Scott.«
Kabanek trank einen Schluck Wein. Zu hastig, denn etwas von der Flüssigkeit verfehlte seinen Mund und tropfte am Kinn entlang. »Glauben Sie das denn?«
Harry Stahl hatte bereits den Mund geöffnet, um eine Antwort zu geben, er verschluckte die Worte jedoch, als er sah wie ich die Schulter anhob.
»Gut«, sagte der Geistliche und meinte mich. »Sie sind zumindest skeptisch.«
»Das kann ich nicht leugnen.«
»Aber in meinem Büro saß Wilbur Scott, stellte den Schädel auf meinen Schreibtisch und erklärte mir, dass ich den Körper seiner Tochter finden sollte. Dieser Schädel ist nicht normal, in ihm steckt etwas Unheimliches, ich habe ihn sogar schreien gehört.«
Bei diesen Worten zuckte der Pfarrer zusammen. »Meinen Sie das wirklich so?«
»Ja.«
»Muss es denn Elenas Geist sein?«
»Ich habe keine andere Erklärung dafür.«
»Könnte es nicht sein, dass Elena lebt?« fragte der Geistliche weiter und überraschte auch mich damit.
»Wirklich leben? Normal leben, nicht durch irgendwelche unheilige Mächte?«
»Ja.«
»Da sind Sie sicher?«
Der Pfarrer nickte. Uns bewies es, welches Vertrauen uns der Mann in diesem Moment entgegenbrachte.
Harry Stahl verstand die Welt nicht mehr. Gleich mehrmals schlug er gegen seine Stirn. »Entschuldigung«, sagte er, »das ist mir zu hoch. Das wirft ja alles über den Haufen. Da kann ich meine Theorien vergessen. Dann stimmt es letztendlich doch, dass man mich reingelegt und ausgenutzt hat?«
»So wird es gewesen sein.«
»Aber wer?«
»Ihr Auftraggeber, der Vater.«
»Ha, ha, ha…« Harry musste lachen und trampelte mit den Füßen zweimal auf den Boden. »Entschuldigung, aber ausgerechnet dieser Mann, der so stark an seiner Tochter hängt?«
»Das hat er Ihnen gesagt.«
»Stimmt es denn nicht?«
Der Geistliche nahm das Weinglas hoch und schaute so dagegen, als läge darin die Antwort. »Ich denke anders darüber. Um es klar auszudrücken: Er hat sie belogen.« Ein Schluck, dann stellte er das Glas wieder hin. Ziemlich heftig sogar.
»Na prima, es geht weiter.«
»Lass den Pfarrer reden, Harry«, sagte ich.
»Danke, Herr Sinclair, aber es ist nicht so einfach. Dieser Vater war kein guter Mensch. Er hat mit seiner Tochter Geld verdient, wenn Sie verstehen, worauf ich hinauswill.«
»Nein, noch nicht.«
»Er hat sie an Männer verkauft. Er hat sie zur Prostitution gezwungen. Stellen Sie sich das vor!« Die Stimme nahm an Lautstärke zu. »Seine eigene Tochter! Das gibt es nicht nur in Asien oder Afrika, sondern auch bei uns, den angeblich so aufgeklärten Menschen. Er zog mit seiner Tochter durch die Dörfer und bot sie an. Schrecklich.« Der Pfarrer schüttelte sich, als hätte man kaltes Wasser über ihn gegossen.
»Und das ging gut?« fragte ich flüsternd.
»Eine Weile ja, dann aber nicht mehr.«
»Warum nicht?«
»Weil Tabita davon erfuhr.«
»Wer ist das?«
»Elenas Mutter, eine Zigeunerin, die Scott geheiratet hat. Alle waren dagegen, aber sie hat nicht auf die Ratschläge gehört. Nun ja, es kam dann auch zur Trennung. Tabita ging wieder zu ihren Leuten zurück, die Tochter blieb beim Vater…«
»Moment«, sagte Harry, »Moment mal. Die Mutter hat, soviel ich weiß, Selbstmord begangen.«
»Später, aber das liegt auch schon Jahre zurück. Sie ist nie mehr von ihrer Sippe akzeptiert worden. Sie beging einen rituellen Selbstmord. Was mit ihr ist, weiß niemand. Man hat ihre Leiche nicht gefunden…«
»Gut, und was war mit Elena?«
»Die wuchs heran und wurde in die Schande getrieben, bis sie sich schließlich lösen konnte.«
»Hat der Vater das akzeptiert?« fragte ich.
»Nein.«
»Was tat er?«
Der Pfarrer hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, er ist verschwunden.«
Kabanek deutete auf den Schädel. »Wenn Sie jedoch der Meinung sind, dass dies der Kopf Elenas ist, dann bliebe nur die Vermutung übrig, dass der eigene Vater die Tochter auf diese grausame Art und Weise getötet hat.«
»Aber Sie sagten eben, dass Elena noch lebt!«
»Ja, das habe ich gesagt.«
»Und wenn wir davon ausgehen, welchen
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