0825 - Böse kleine Elena
dafür. Ihre Frau hat es in den Tod getrieben, und Sie…«
Blut spritzte plötzlich aus der Unterlippe des Geistlichen, denn Scott hatte mit der Waffe zugeschlagen. Kabanek verstummte, er presste seine Hand gegen die getroffene Stelle, erhielt einen Stoß, der ihn bis an die offene Tür des Wohnzimmers katapultierte, und ein zweiter Stoß ließ ihn in den Raum torkeln. Dort konnte er sich fangen, nahm die Hand vom Mund und schaute entsetzt auf die blutbeschmierte Fläche.
»Das nur zur Klärung der Fronten«, sagte der Engländer und sah das Nicken des Pfarrers. Aus der Hosentasche holte Kabanek ein Tuch und presste es gegen die blutende Lippe. Mit einer entsprechenden Bewegung bedeutete Scott ihm, dass er sich setzen durfte. Der Pfarrer ließ sich in einen Sessel fallen, der nicht neben dem alten Telefon stand. Sein Besucher blieb stehen. Nicht nur dessen Augen schauten auf ihn herab, sondern auch die Mündung der Waffe, und in dieser Pose sah Scott aus wie ein Henker.
»Können Sie reden, Kabanek?«
»Ich versuche es.« Er nahm das Tuch weg. Die Lippe blutete noch und schwoll allmählich an.
»Gut. Sie hatten Besuch!«
»Ja, die beiden Männer.«
»Kannten Sie die?«
»Nein.«
»Dafür haben Sie sich lange mit Ihnen unterhalten.«
Kabanek hob die Schultern. »Himmel, das ist doch wichtig gewesen. Sie sind wegen alter Geschichten in unserem Land, die uns alle etwas angehen. Sie kamen mir vor wie Boten aus der Vergangenheit, an die ich nicht mehr erinnert werden wollte, und Sie haben sogar den Schädel mitgebracht.«
»Den meiner Tochter?«
»Ja oder nein. Ich habe ihn doch nicht identifizieren können. Ich hatte ja direkt nichts damit zu tun. Aber was erzähle ich Ihnen das alles. Sie sind dabei gewesen, Sie müssten es am besten wissen.«
»Das kann man sagen.«
»Eben.«
»Da ist noch was. Diese beiden Männer sind relativ lange hier geblieben und dann wieder gefahren. Wo haben Sie sie hingeschickt?«
Der Pfarrer war kein Dummkopf. Er hatte gewusst, dass diese Frage gestellt werden würde. Und er hatte lange in einer Zeit gelebt, als Pfarrer beim Regime so beliebt gewesen waren wie eine Teufelsstatue im Nonnenkloster. Schon damals hatte Kabanek eine Art entwickelt, sich aus gewissen Dingen offiziell herauszuhalten, obwohl er inoffiziell sehr wohl im Untergrund tätig gewesen war und auch stets Unterstützung vom Vatikan erhalten hatte.
Im Klartext bedeutete dies: Er hatte es durchaus gelernt, gewisse Wahrheiten zu verändern, ohne dass er dabei groß aufgefallen wäre. Diese Gabe beherrschte er noch immer. Er tupfte gegen seine Lippe, hob die Schultern und gab auch seinen Augen einen harmlosen Ausdruck. »Das ist nicht wahr, mein Herr. Ich habe die beiden nicht weggeschickt. Ich habe sie auch nirgendwo hingeschickt. Sie müssen es mir glauben. Dieser Sinclair und sein deutscher Freund Stahl wussten anscheinend genau, wohin sie wollten.«
»Das habe ich gesehen. Und wohin sind sie?«
Kabanek hob die Schultern, und er hörte dabei, wie sein Besucher vor Wut mit den Zähnen knirschte. »Sie wollen mir doch nicht erzählten, dass Sie nichts wissen?«
»Sie wollten weiter nach Süden, denke ich.«
»In der Nacht?«
»Ja.«
»Ohne eine genaue Zielangabe?«
»Mir haben Sie nichts getan.«
Wilbur Scott nickte, doch es gab keinen Grund für den Geistlichen, aufzuatmen, denn er hörte, wie der Engländer sagte: »Wissen Sie, weshalb ich zu Ihnen gekommen bin?«
»Sie wollten was über die Männer wissen.«
»Das auch. Aber ich bin zudem erschienen, um Sie zu töten. Ich will die Spuren der Vergangenheit löschen, verstehen Sie?«
Kabanek blieb gelassen. »Indem Sie sich jemanden geholt haben, der den Körper Ihrer Tochter finden soll?«
»Auch das gehört zu meinem Plan. Er soll ihn finden, aber er wird es nicht überleben. Die Leichen der beiden Typen werden irgendwo in diesem Land verscharrt werden, und es wird niemanden geben, der sich um sie kümmert.«
»Das denken Sie.«
»So wird es sein.«
»Ich glaube es nicht.«
»Davon haben Sie nichts, Herr Pfarrer!« erklärte Scott mit kalter Stimme.
»Noch einmal, Sie wissen also nicht, wo sich die beiden Kerle jetzt aufhalten?«
»Und wenn Sie mich teeren und federn, ich kann Ihnen nichts sagen, Herr…«
»Keine Förmlichkeiten«, erklärte Scott. Er bewegte sich um den Tisch herum, verfolgt von den Blicken des Geistlichen, der schon merkte, wie ernst es allmählich wurde. Dicht neben ihm an der rechten Seite blieb der Engländer stehen.
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