0826 - Kampf um Armakath
Bissen hatte sie jedoch den halben Wasservorrat der beiden leer getrunken. Trinkbares Wasser war hier nicht leicht zu finden. Und wenn man es denn fand, musste man meist um das Vorrecht kämpfen, sich zu bedienen. Die wenigen Quellen und halb vertrockneten Flussläufe in erreichbarer Nähe waren allesamt besetzt. Das war der Hauptgrund, warum Lika und Saarg beschlossen hatten, in eine andere Region der Schwefelklüfte zu wandern.
Doch die Umsetzung dieses Vorhabens hatten sie immer wieder verschoben. Den Grund dafür kannten sie nicht. Vielleicht, so überlegte Saarg nun, hatten sie gespürt, dass man sie hier noch einmal brauchen konnte. Vielleicht war es ihre Aufgabe, der Kleinen zu zeigen, was mit der weißen Stadt geschah?
Entschlossen erhob er sich. »Komm mit, Mirjad. Wir müssen dir etwas zeigen.«
Die Korsin folgte den letzten Nomaden der Hölle. Der Weg führte die kleine Gruppe weg von der Stadt, die sich drohend in ihren Rücken erhob. Die Stille, die über Armakath lastete, war die einer Gruft… übermächtig und erdrückend lastete sie auf allen Lebewesen, die sich dem steinernen Moloch zu nähern wagten.
Es ging beständig bergauf, über den Rand der goldenen Ebene hinweg, in der die Stadt lauerte. Und schließlich wusste Mirjad, wohin die beiden sie führten. Es war die Anhöhe, auf die sich die Fliehenden aus Sarkanas Refugium gerettet hatten, als das ehemalige Machtzentrum des Vampirdämons von Armakath geschluckt und vernichtet worden war.
Der Blick auf die Stadt - Mirjad erinnerte sich nur zu gut daran.
Saarg beobachtete das Menschenkind aus den Augenwinkeln heraus. In Mirjads Gesichtszügen arbeitete es. Ihre Erinnerung verglich die Bilder - damals und heute.
Die Korsin wurde von einer Unruhe befallen. Wortlos lief sie zwanzig Schritte nach links, dann etwa die gleiche Strecke in die andere Richtung. Die Skoloten schien sie vergessen zu haben.
»Sie ist größer geworden.« Mirjad sprach wie zu sich selbst. »Aber wie kann das sein? Dort gibt es kein Lebewesen, niemanden, der die Bauten errichten könnte.«
Saarg trat nahe zu dem Mädchen heran. »Sie wächst. Armakath baut sich selbst - sie wuchert, wie eine Schlingpflanze.«
Mirjad sah ihn fragend an.
»Die Stadt ruft. Manchmal - wenn es ganz still ist und der Wind zu uns herüberweht - können wir das Wispern hören. Worte, die wir nicht verstehen. Aber sie sind flehend, oft auch fordernd. Und dann, nicht viel später, sind plötzlich neue Gebäude da. Einfach so.«
Saarg machte eine Pause, um Mirjad die Möglichkeit zu geben, das zu verarbeiten, was sie von ihm gehört hatte. Es wollte der Korsin nicht in den Kopf, dass sie davon nichts mitbekommen hatte. In der Stadt hätte sie diese Dinge doch bemerken müssen.
Saarg stieß Mirjad sanft an. »Komm mit. Es gibt noch etwas, das du sehen musst.« Er ließ sich auf seine vorderen Extremitäten hinab. »Sitz auf. Wir müssen den Hügel dort hinauf. Ganz nach oben.«
Der seltsame Ritt dauerte nur wenige Minuten, in denen die kräftigen Skoloten etliche Höhenmeter spielerisch unter sich ließen. Mirjad gestand sich ein, dass sie diesen Aufstieg nur schwerlich alleine bewältigt hätte.
Von hier oben bot sich eine gänzlich andere Sicht auf Armakath. Und Mirjad hielt den Atem an. Erst aus dieser Perspektive wurden ihr die wirklichen Ausmaße der weißen Stadt bewusst. Die Korsin wusste nicht viel über diese Welt, die wohl identisch mit der Hölle war, die so ziemlich jede Weltreligion als Einschüchterung ihrer Anhänger benutzte. Religionen bedeuteten dem Mädchen nichts. Kein überirdisches Wesen hatte ihr oder ihrer Familie geholfen, als Morano die Macht in Mirjads Dorf übernommen hatte. Sie verließ sich auf ihren eigenen Verstand und auf das Messer ihres Vaters.
Doch wenn sie Zamorra richtig verstanden hatte, dann war diese Welt von unzähligen Wesen bevölkert, deren Macht noch weit über die der Vampire hinausging. Offenbar hatten die Armakath noch nicht registriert - oder sie sahen die Stadt nicht als Gefahr an. Noch nicht! Mirjad war sich in diesem Augenblick sicher, dass sich dies bald ändern würde.
Die Stadt wuchs, wucherte über die Welt. Und wo würde dieser Prozess stoppen? Würde er enden? Lika wies auf den Horizont. »Sieh genau hin, Mirjad. Das ist es doch, was du suchst, nicht wahr?«
Und Mirjad stockte der Atem. Inmitten von all den makellos weißen Gebäuden, den Türmen, Palästen, den skurrilsten Bauwerken, die man sich nur vorstellen konnte, prangte ein
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