0827 - Der Rosenfluch
denn geschafft?« fragte ich.
Der dünne Danny versuchte, sich aufzuplustern, was ihm nicht gelang.
»Was dachten Sie denn? Halten Sie mich etwa für einen Anfänger, John Sinclair?«
»Nein, für den besten.«
»Das will ich auch meinen.« Er ging einen großen Schritt nach vorn, umfasste die Klinke der Garderobentür und zog sie schwungvoll auf. »Sie können eintreten.«
So schwungvoll wie er sich bewegt hatte, gingen wir nicht. Etwas zögerlich vor allen Dingen ich, denn ich kannte Iris mit dem Greisinnengesicht und war gespannt, was Danny aus ihr gemacht hatte. Im Hintergrund hörte ich seine Stimme. »Das Foto ist auch schon geschossen worden, es braucht nur noch in den Ausweis geklebt werden. Aber dafür können Sie ja sorgen, Sir.«
Der Superintendent nickte nur. Ansonsten blieb er mir auf den Fersen und rührte sich nicht, als ich anhielt, um nach vorn zu schauen, wo Iris auf einem Drehstuhl saß und kurz nach meinem Eintritt mit dem Stuhl herumschwang.
»Hi, John…«
Ich stand da und staunte. Vor mir saß eine völlig andere Person, die mit der Iris Quentin, wie ich sie kannte, überhaupt nichts mehr zu tun hatte.
Okay, die Kleidung war die gleiche geblieben, aber das Gesicht – Himmel – das Gesicht!
»Na, wie sehe ich aus, John?«
»Toll, Iris, einfach toll.«
»Finde ich auch. Danny ist super.«
Ich musste ihr zustimmen, denn er hatte ihr ein neues Gesicht gegeben, das gut zu ihren dunklen Haaren passte. Eine glatte Kinderhaut, keine Falten mehr, keine lappigen Lippen, dafür ein voller, naturroter Kindermund, der zu einem Lächeln verzogen war.
»Wie fühlst du dich denn?« fragte ich.
»Eigentlich gut. Ich kann mich nur nicht so bewegen wie mit meinem alten Gesicht. Ich muss eben aufpassen. Es zieht auch etwas an den Wangen und an der Stirn, weil sich die Haut dort spannt. Aber sonst ist alles in Ordnung.«
»Das ist toll.«
»Können wir jetzt fahren?«
»Morgen erst.«
»Schade.«
Ich schaute kurz nach rechts, wo mein Chef stand. Er hatte sich bisher mit keinem Wort gemeldet und nur zugeschaut.
Dann nickte er.
»Zufrieden, Sir?«
»Da Sie es sind, John, und Sie die Kleine vorher gekannt haben, muss ich es ebenfalls sein.«
»Das können wir auch.«
Danny war ebenfalls erschienen und lächelte der Kleinen zu. »So gefällst du mir.«
»Echt?«
»Ja.«
»Kann ich gehen?«
»Immer.«
»Willst du dich denn nicht von deiner Mutter verabschieden?« erkundigte sich Sir James.
Für einen Moment verengten sich die Augen des Mädchens, als hätte es gegen einen tiefen Ärger anzukämpfen. Dann schüttelte es den Kopf.
»Nein, ich will es nicht.«
»Warum nicht?«
»Meine Mutter wollte mich nicht fahren lassen.«
»Das hörte ich«, sagte Sir James. »Kannst du dir nicht vorstellen, dass sie besorgt um dich war?«
»Ich muss auf die Ruine.«
»Hättest du deine Mutter denn mitgenommen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Und deinen Vater?«
»Der ist weg.«
»Seit wann?«
»Seit dem Urlaub.« Iris schluckte. Sie sah aus wie ein Kind, das gleich anfing zu weinen, und das merkte auch Sir James, deshalb stellte er auch keine Fragen mehr.
Iris Quentin rutschte vom Hocker und auf mich zu. Sie fasste nach meiner Hand. »Du wirst bei mir bleiben, nicht wahr? Du fährst doch wirklich mit, nicht?«
»Das habe ich versprochen, und dabei bleibt es, Iris…«
***
Bea Quentin hatte die Conollys gebeten, sie allein zu lassen, was Sheila und Bill nicht gerade gepasst hatte, aber sie konnten nicht gegen den Willen der Frau handeln.
Sie waren zu ihrem Haus zurückgefahren, und Sheila hatte einen Kaffee gekocht. Ziemlich schweigsam saßen sie sich in der Küche gegenüber, jeder hing seinen Gedanken nach, die nicht eben freundlich waren, wie ihre Gesichter ausdrückten.
Durch das helle Fenster strahlte Sonnenlicht in den Raum und verwandelte ihn in eine helle Insel. Das Licht störte sie beide nicht. Sie freuten sich, dass es nicht regnete, aber die Stimmung hätte eher zu einem schlechten Nieselwetter gepasst.
Sehr laut setzte Sheila ihre Tasse ab. »Bill, ich habe den Eindruck, dass sich nicht nur John auf ein gefährliches Pflaster begeben hat.«
»Natürlich, Iris ebenfalls.«
»Nein, die meine ich nicht einmal. Ich denke da eher an Bea.«
»Warum? Sie ist doch hier in London geblieben.«
»Das schon«, sagte Sheila leise. »Nur habe ich den Eindruck, als hätte sie uns etwas verschwiegen und bewusst nicht die volle Wahrheit gesagt.«
Bill hob überrascht die Augenbrauen.
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