0830 - Das Vampirloch
zunächst einmal reagierte.
Er tat nichts.
Wir aber hörten das Summen. Ein typisches Geräusch, wie es eigentlich nur ein Türöffner abgeben konnte.
Die Entfernung von uns bis zum Eingang war nicht sehr groß. Wir würden uns trotzdem beeilen müssen, behielten Sir James im Auge, so daß wir auch den Ruck mitbekamen, der von seiner rechten Hand ausging, als er die Tür aufdrückte.
»Jetzt!«
Zugleich starteten wir. Der Boden war zwar mit einer dünnen Schneedecke bedeckt, aber nicht so glatt, als daß er uns behindert hätte. Wir kamen gut weg, begleitet von einem Wirbel aus Flocken, und als wir den Eingang erreichten, da sahen wir den Rücken unseres Chefs, der bereits die Schwelle überschritten hatte.
Die Tür wollte zufallen.
Wir waren schneller. Ich rammte sie mit dem Fuß wieder auf, sah nicht nur Sir James, sondern auch eine halbnackte Chinesin, die uns überrascht anstarrte.
Auch unser Chef wollte sich umdrehen. Ich packte ihn und schleuderte ihn gegen die linke Wand, weg von der Frau. Hinter mir stieß Suko die Tür zu, während ich mich zwischen die Chinesin und Sir James gestellt hatte. »Wie schön, daß wir wieder beisammen sind«, sagte ich.
***
Das ist ein böses Märchen, ein grausamer Alptraum, dachte Percy Quade, so etwas kann nicht wahr sein, da wird man ja verrückt, das ist doch…
Seine Gedanken rissen ab, als er in das Gesicht der blassen Frau starrte und dort eigentlich nur die beiden spitzen Vampirzähne sah, die aus dem Oberkiefer hervorstarrten, als wären sie einfach nur zwei Fremdkörper.
Er hatte sie zu Boden geschlagen. Er hatte ihr durch den Hieb das Gesicht demoliert, aber sie hatte sich erhoben, als wäre nichts geschehen. Als er darüber nachdachte, wurde ihm schon klar, welch eine immense Kraft in diesem ausgemergelt wirkenden Körper steckte. Quade kam auch nicht auf den Gedanken, die Frau als unecht anzusehen. Sie war echt, die Zähne waren echt und kein Gebiß, das man für wenig Geld kaufen konnte. Denn in diesem Fall mischten John Sinclair und sein Kollege Suko mit. Die beiden Geisterjäger ließen sich nicht zum Narren halten, sie hatten es mit echten und nicht mit verkleideten Gegnern zu tun.
Dieses Grinsen war einfach widerlich. Hinzu kam das Leuchten in ihren Augen, das eine Kälte abstrahlte, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte.
Es war die Kälte von Eis, sie war so nicht menschlich, so gierig, und Percy schauderte abermals zusammen, denn er wußte jetzt, daß er von ihr keine Gnade erwarten konnte.
Evana würde ihn angreifen. Vampire tranken Blut. Vampire liebten die Finsternis. In diesem verdammten Keller kam einiges zusammen. Er war deshalb zu einer perfekten Todesfalle geworden.
Todesfalle?
Nein, nicht im eigentlichen Sinne des Wortes. Wer von einem Vampir leergesaugt wurde, war zwar verloren oder auch im gewissen Sinne tot, aber er würde wieder aufstehen und als Untoter andere Menschen angreifen, um deren Blut zu saugen.
So sah die Regel aus, und sie existierte schon seit Hunderten oder Tausenden von Jahren.
Er stöhnte leise vor sich hin. Es war die erste Reaktion nach dem plötzlichen Schock.
Als er sich bewegte, klirrten die Glieder der Kette gegeneinander. Es war die Musik, die ihm auch in sein weiteres Schicksal begleiten würde, und Quade spürte seinen Magen, der zuviel Säure produziert hatte. Sie stieg in seine Kehle wie ätzender Schlamm. Er ging weiter zurück, bis er gegen die Druckmaschine stieß, da war es dann aus mit der Herrlichkeit.
Evana hatte zugeschaut. Sie lächelte, als sie seinen Bemühungen zuschaute. »Du kommst nicht weit«, flüsterte sie. »Du kommst hier nicht weg! Ich habe hier das Sagen, hast du verstanden? Nur ich!«
»Hau ab!«
»Nein, noch nicht. Ich werde dich als erstes Opfer für heute nehmen, und es wird mir großen Spaß machen, darauf kannst du dich verlassen. Wer zu neugierig ist, der muß bezahlen, so und nicht anders lauten die Regeln. Ich hoffe, du kennst sie.«
»Ja, ich kenne sie.« Quade nickte. Innerlich hatte er sich darauf eingestellt, daß es zu einem weiteren Kampf kommen würde. Auf keinen Fall wollte er sich freiwillig in sein Schicksal fügen. Wie lange er diesen Kampf durchhalten würde, wußte er nicht. Aber darauf kam es ihm auch nicht an.
Das mußte er zur Seite drängen, und er verfluchte sich, daß er keine Waffe bei sich trug. Die lag versteckt in seiner Wohnung, denn die Pistole steckte er nur in Notfällen ein.
Evana nickte ihm zu. Es war so etwas wie ein Startsignal
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