0831 - Leichen frei Haus
Grab, aus dem die beiden Männer den Sarg geholt hatten.
Noch war dort nichts zu sehen. Die Ränder sahen weich aus im Licht der einsam leuchtenden Laterne. Aus der Öffnung schien der Gestank hervorzudampfen, als wäre das Tor zu einem in sich verwesenden Totenreich geöffnet worden.
Zwei bleiche Hände erschienen. Schon mehr Klauen, und sie umklammerten den Grabrand.
Suko blieb stehen. Er wartete so lange ab, bis auch ein widerlich entstelltes Gesicht zu sehen war.
Kein Totenschädel, aber auch nicht weit von diesem Zustand entfernt, nur daß sich über die Knochen- und Fleischreste noch eine Schleimschicht spannte, als wollten sie diese letzten Reste noch schützen.
Ich mußte mich mehr auf den Glatzkopf und seine beiden Helfer konzentrieren. Den Ghoul wollte ich allein Suko überlassen, und er wartete eiskalt ab.
Er hatte neben der aufgeworfenen Erde breitbeinig seinen Platz gefunden, wippte leicht auf den Ballen, als könnte er es nicht erwarten, dem Ghoul endlich an den Kragen zu gehen.
Der ließ sich durch nichts aufhalten. Geschmeidig und beinahe schon fließend kroch er über den Grabrand hinweg, um das neue Ziel, die Menschen, zu erreichen.
Das Wesen stank erbärmlich. Die widerliche Wolke wehte uns entgegen. Jetzt, wo er frei war, raubte sie uns beinahe den Atem, und auch die drei Japaner waren irritiert.
Der Ghoul hatte es geschafft.
In der Nähe des Grabrands richtete er sich auf. Sein Schleim schimmerte wie weiches Eis, aber da knisterte und brach nichts zusammen, er hatte sich in der Gewalt, und er wollte Suko.
Schleifend und platschend, dabei sehr langsam näherte er sich dem lebenden Objekt.
Suko schwang beide Arme nach rechts und damit auch die Klinge des Samurai-Schwerts.
Die Geräusche froren ein. Auch unser Atem war nicht mehr zu hören. Eine riesige, unsichtbare Hand hielt in diesem Moment die Zeit an, was sich dann änderte, als Suko zuschlug.
Mit vehementer Wucht schlug er zu und führte die Klinge so zielsicher, als hätte er nie etwas anderes getan.
Die Stille verschwand.
Wir hörten das Fauchen, als das Schwert die Luft zerschnitt, und dann tanzte plötzlich der häßliche Schädel des Leichenfressers dicht über dem Körper, als er von ihm getrennt worden war. Die kalte Luft schien ihn halten zu wollen, doch die Gesetze der Physik existierten auch hier, und der Kopf kriegte einen Drall nach rechts, wobei der Körper in die entgegengesetzte Richtung kippte, dabei noch nach hinten fiel und im offenen Grab verschwand.
Der Kopf aber blieb am Grabrand liegen und sah plötzlich aus, als wäre er künstlich. Wir hörten alle das Knirschen, als wären Schneekörner auf den Boden gerieselt.
Doch dieses Geräusch hatte einen anderen Grund. Es war der Schädel, der ebenso innerlich austrocknete wie der Körper, denn wir wußten zu genau, was mit dem Ghoul geschah. Er hatte seinen Kopf verloren, er würde eintrocknen, glasig werden um im nachhinein kurzerhand zertreten zu werden.
Suko drehte sich wieder um. Er war erleichtert.
Ich war es ebenfalls.
Aber die drei Japaner sahen ihre Chance.
Vor allen Dingen der gefährliche unter ihnen, der Glatzkopf. Obwohl ich die Beretta in der Hand hielt, griff er mich an. Er schnellte in die Höhe, er schrie, und dann rasten seine beiden Handkanten wie die Zwingen einer weit geöffneten Schere von zwei verschiedenen Seiten auf meinen Hals zu…
***
»Es kotzt mich an«, sagte Dr. Alvin Shephard. Er stand mit dem Rücken zum Zimmer hin und starrte nach draußen in eine eisige Nacht, in der die Schneedecke auf dem Boden wie ein blasses Leichentuch schimmerte und von zahlreichen Eiskristallen bedeckt war.
»Was kotzt dich an?«
»Alles.«
Dr. Slim Dayton lachte. »Das sollte es aber nicht, schließlich hast du den Vertrag unterschrieben, und diese Unterschrift bringt dir eine Menge Geld, das du ja auch gebrauchen kannst, um die Spielschulden abzubezahlen.«
»Du hast es gerade nötig, mir Vorwürfe zu machen.«
»Ich habe nur etwas festgestellt.«
»Und was ist mit deinen Weibergeschichten? Die haben dich doch auch an den Rand des Ruins getrieben.«
Dayton, der Mann mit den lackschwarzen Haaren, grinste scharf. »Der eine so, der andere so.«
»Hört doch auf, euch zu streiten. Wir sollten in dieser verdammten Situation zusammenhalten. Drei Tage müssen wir noch durchstehen, dann ist es vorbei.«
»Du vergißt die Nächte.«
»Sie zähle ich nicht«, erwiderte die Frau. Sie hieß Dr. Iris Long und war keine Ingenieurin, sondern
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