0831 - Leichen frei Haus
Seite drehte, die Arme anhob und sie wieder fallenließ. »Nein, da ist nichts, da ist gar nichts.« Sie lachte über sich selbst. »Ich habe sogar nach dem Puls- und Herzschlag getastet, was Quatsch ist, aber es ist nun mal so. Tut mir echt leid, Alvin, ich kann dir nicht helfen.«
»Na ja, dann haben wir eben Pech gehabt.«
Iris Long fror plötzlich. Die Atmosphäre hier kam ihr regelrecht vergiftet vor. »Laß uns gehen, Alvin, auch ich könnte jetzt einen Drink vertragen.«
»Was machen wir mit dem Toten?«
»Wir lassen ihn sitzen.«
»Und was ist mit der Untersuchung?«
Iris Long strich eine Haarsträhne zurück. »Es tut mir leid, Alvin, ich habe nicht mehr die Nerven dazu, sie jetzt noch an ihm vorzunehmen. Nicht nach diesen Vorfällen.« Sie drückte die Tür wieder zu. »Ich werde es morgen machen. Vielleicht sieht dann alles ganz anders aus.«
»Das ist zu hoffen.«
Die beiden Wissenschaftler verließen die ungastlich gewordene Stätte und fanden ihren Freund Slim Dayton im Aufenthaltsraum, wo er am Tisch saß und mit der rechten Hand eine Flasche Brandy umklammert hielt, als hätte er Angst davor, daß sie ihm jemand wegnehmen könnte. Er grinste die beiden schief an. »Na, habt ihr mit dem Toten einen Walzer getanzt?«
»Sei nicht kindisch!« sagte Shephard.
Dayton hob sein Glas an und trank es leer. »Wollt ihr auch einen Drink?«
»Gern.«
»Cheers, auf den Toten, der lebt.« Dayton lachte und schüttelte den Kopf. Er hatte bereits den einen oder anderen Schluck zuviel genommen, das hielt ihm keiner vor.
Shephard hatte eine Flasche Whisky geöffnet. Er schaute zu, wie die gelblichbraune Flüssigkeit in die Gläser gluckerte, und plötzlich fürchtete er sich vor den weiteren Tagen, die sie hier laut Vertrag verbringen mußten. Am liebsten hätte er alles hingeworfen und wäre verschwunden. Das allerdings hätte ihm der Konzern übelgenommen.
Ein Glas nahm er, das zweite reichte Alvin seiner Kollegin. »Wir haben es verdient.«
Iris nickte. Sie trank den Whisky und spürte ihn als einen warmen Strom durch ihre Kehle rinnen.
Auch im Magen breitete sich die Wärme aus. Der nächste Schluck bekam ihr noch besser, aber die Bilder wollten trotzdem nicht weichen. Immer wieder mußte sie daran denken, wie sie die kalten, dicken Finger der Leiche nach oben gebogen hatte. Sie ging auch davon aus, daß es kein Muskelreflex gewesen war, der den Kollegen erwischt hatte. Das mußte eine andere Ursache gehabt haben, aber sie konnte sich nicht vorstellen, was es gewesen war. Immer wieder wurden ihr beim Nachdenken die Grenzen aufgezeigt, da war sie eben zu sehr die Naturwissenschaftlerin.
»Noch einen Drink, Iris?«
»Nein, danke.« Sie stellte das Glas ab. »Ich werde jetzt verschwinden und versuchen, ein wenig zu schlafen.«
»Kannst du das denn nüchtern?« höhnte Dayton.
»Ich gebe mir Mühe.«
»Ich nicht. Die Flasche mache ich heute noch leer. Alles andere ist mir egal.« Er ließ sein Glas wieder halbvoll laufen und prostete den anderen mit schwerer Stimme zu.
Iris schenkte dem Kollegen Shephard ein Nicken, bevor sie den Raum verließ und dorthin ging, was man ihnen als Zimmer verkauft hatte, aber nicht mehr als eine Zelle mit Dusche und Toilette war.
Für wenige Tage ließ es sich aushalten, und Iris Long hatte auch nie über ihre Unterkunft richtig nachgedacht, was sich in dieser Situation änderte, denn plötzlich fühlte sie sich wie eine Gefangene, die von ihrem kahlen Umfeld bedroht wurde.
Sie zog sich auch nicht aus, als sie sich auf das schmale Feldbett legte. Selbst die Schuhe ließ sie an, und das Licht der kleinen Stehlampe brannte auch.
Iris Long hatte sich vor der Dunkelheit nie gefürchtet. Wenn sie das Licht jetzt löschte, würde die Furcht kommen, davon war sie hundertprozentig überzeugt, und sie wollte dieses Risiko auf keinen Fall eingehen. Mit offenen Augen lag sie im Bett und starrte gegen die graue Decke. Immer wieder trieb eine Frage durch ihr Gehirn, die nur aus drei Worten bestand.
Was war geschehen?
***
Dr. Alvin Shephard und Dr. Slim Dayton waren zurückgeblieben, aber zwischen ihnen stand plötzlich eine unsichtbare Wand, die eine Kommunikation zunichte machte. Keiner wußte so recht, was er dem anderen sagen sollte, und ihre Reaktion bestand nur mehr aus einem Heben der Schultern. Damit deuteten sie an, daß sie sich zwar Gedanken machten, aber keine Lösung wußten.
Dayton trank noch immer. Die Hälfte der Flasche hatte er bereits geleert, und der
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