0836 - Das Puppenmonster
Lockwood einen Besuch abstatten. Da ihre Sendung erst am Spätnachmittag läuft, denke ich schon, daß ich sie zu Hause antreffen kann.«
»Das stimmt.«
»Sollte Ihnen beiden jedoch noch etwas einfallen, das Sie jetzt vergessen haben, rufen Sie Chiefinspektor Tanner oder mich an. Wir sind immer für Sie da.«
»Danke, Sir.«
Gemeinsam erhoben sie sich und reichten mir die Hand. Ich brachte sie noch bis zum Lift und wandte mich erst ab, als sie auf dem Weg nach unten waren.
Ziemlich nachdenklich betrat ich mein Büro. Was sollte ich von diesem Fall halten? Stimmte alles, oder hatten sich die beiden nur geirrt?
Tanner hatte sich geschickt verhalten. Es wäre sinnlos gewesen, wenn er versucht hätte, eine Puppe zu verhaften. Damit hätte er sich nur blamieren können. Er brauchte Beweise, die ich ihm bringen sollte.
Als ich nach meiner Jacke griff, zuckte über meine Lippen ein Lächeln. Die Silvesterfeier war vergessen, die Folgen dieser anstrengenden Nacht ebenfalls, jetzt hatte mich der Alltag wieder, der erste Fall im neuen Jahr, und der machte mir nicht gerade einen harmlosen Eindruck.
Ich war gespannt.
***
Leona Lockwood hatte in ihrem Leben schon einige schlechte Nächte erwischt, aber eine derartig miese wie die, die jetzt hinter ihr lag, war ihr noch nie vorgekommen. In den Stunden nach Mitternacht hatte sie vergeblich versucht, Schlaf zu finden. Der Besuch des Polizisten und die Tatsache, daß vor dem Haus ein Mord geschehen war, hatte sie zu sehr aufgewühlt. Hin und wieder war sie in einen leichten Schlummer gefallen, doch ständig aus ihm hochgeschreckt, weil sie in ihren Träumen immer wieder Ivy sah, die sich ihr mit einem schlagbereiten Metzgerbeil näherte, um sie ebenfalls in Stücke zu hacken.
Die furchtbaren Bilder ließen sich einfach nicht wegradieren, und erst gegen Morgen, als sich die meisten Menschen bereits auf den Weg zur Arbeit machten, war Leona wieder eingeschlafen. Gegen neun Uhr stand sie dann auf.
Sie fühlte sich kaputt. Es war ein Tag zum Weglaufen, denn auch das Wetter trug nicht dazu bei, ihre Stimmung zu heben. Durch die Fenster der Wohnung sickerte graues Licht, das sich nur schwach von dem in der Nacht unterschied.
Sie hatte Ivy aus dem Schrank geholt und mit in die Küche genommen. Wie ein Kind hatte sie die Puppe auf einen Stuhl gesetzt und ihr als Unterlage mehrere Kissen gebaut, damit sie über die Tischkante schauen konnte.
Ivys rundes Gesicht sah aus, als würde es mit dem Kinn auf der Kante liegen. Die Pausbacken glänzten, die Augen waren groß und rund, das Haar leicht strubbelig, weil Leona es noch nicht gekämmt hatte, aber sonst sah sie aus wie immer.
Nichts Böses konnte sie an ihr entdecken.
Saß ihr eine Mörderin gegenüber?
Leona dachte darüber nach, als sie sich Kaffee einschenkte. Die Kanne war bis zum Rand gefüllt, sie brauchte die Tassen jetzt, denn er sollte sie wachmachen. Sie mußte in Form sein, denn am heutigen Abend war der erste Auftritt im neuen Jahr.
Nach den Ereignissen der vergangenen Nacht paßte es ihr überhaupt nicht, aber sie konnte den Auftritt nicht absagen. Noch nie war das geschehen, und was hätte sie auch als Entschuldigung vorbringen können? Daß Ivy zu einer Mörderin geworden war?
Lächerlich, man hätte sie für verrückt erklärt, und sie wäre auch ihren Job losgeworden. Nein, so ging das nicht. Leona mußte in den sauren Apfel beißen und auftreten.
Während die Frau den Kaffee trank, dachte sie an den Besuch des Chiefinspektors. So freundlich sich dieser Mann auch ihr gegenüber verhalten hatte, sie traute ihm nicht. Der hatte es faustdick hinter den Ohren, der würde nicht eher aufgeben, bis er den Fall gelöst hatte. Und ob er ihr glaubte, war mehr als fraglich. Männer wie er hatten in ihrem Leben viel erlebt. Sie waren nicht so einfach aus der Fassung zu bringen und ließen sich auch nicht leicht abspeisen. Da würde bestimmt noch einiges auf sie zukommen, und das alles wegen Ivy.
Bei diesem Gedanken hob sie ihren Kopf an und schaute in das runde Gesicht der Puppe.
Es war unbewegt, es blieb unbewegt. Ivy sagte nichts, Ivy lächelte nur, und ihr kleiner Mund war zu einer süßen Schnute geworden. Sie trug noch immer das gleiche Kleid, und das würde sie auch bei ihrem Auftritt anhaben, so kannte man sie, so wurde sie von den Kids geliebt.
Leona Lockwood hatte der Puppe mehrere dieser Kleider nähen lassen, so konnte sie immer wechseln.
Die dritte Tasse Kaffee schmeckte ihr ebenfalls, und allmählich
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