0837 - Aibon-Blut
Wahrheit. »Der Vogel ist hungrig, sehr hungrig sogar. Er wird dich fressen, Glenda Perkins, hörst du? Er wird dich fressen…«
***
Es war die Reise ins Nichts, es war die Reise über nicht sichtbare Grenzen hinweg, und wir glitten hinein in eine andere fremde Dimension, in ein Gebiet, das im Nirgendwo zwischen Himmel und Erde lag und mathematisch nicht berechnet werden konnte.
Gefühle? Hatte ich sie überhaupt?
Ich wußte es selbst nicht, denn ich kam mir vor wie nicht vorhanden. Ich war da und war es trotzdem nicht. Ich schwebte davon, ohne daß ich etwas dagegen unternehmen konnte. Als einzige Sicherheit saß Ribana vor mir. Ihre Hüften hielt ich nach wie vor umklammert. Wie jemand, der sich allein nicht zurechtfand.
Auf eine gewisse Art und Weise war es schon einmalig und wunderbar, so reisen zu können, dennoch fühlte ich mich keinesfalls als Glückspilz, denn ich wußte nicht, was mich in Aibon erwartete.
Wir würden bestimmt nicht in der Hälfte landen, die von den Druiden als Paradies bezeichnet wurde, unser Platz würde Guywano sein, dem satanischen und machthungrigen Druidenfürsten, der alles in seinen Bann zog, und seine Welt mit einem kaum vorstellbaren Grauen übergoß.
Dunkelheit!
Kein Licht, kein Schimmern, keine Sterne, die irgendwo blitzten. Keine Gefühle, kein Wind und keine Zeiteinstellung mehr. Ich war zeitlos geworden. Ob Sekunden, Minuten oder Stunden vergingen, ich würde es nicht einmal bemerken.
Magie hob die Zeit auf…
Bis plötzlich alles anders wurde. Das kleine Wunder lief an. Es war nicht meine erste magische Reise, aber ich war immer wieder fasziniert von den Vorgängen.
Übergangslos waren wir da.
Aibon griff nach uns.
Das Einhorn stand auf einem harten, trockenen Boden. Es war Nacht in diesem Land, aber diese Dunkelheit hatte nicht mit der zu tun, die ich kannte. Sie kam mir schwer vor, als würde sie aus einem dicken, tiefen Schlamm gebildet. Sie war bedrohlich, zudem lichtlos, aber trotz allem auch hell, denn mir gelang es, den Untergrund als Schatten zu erkennen. Ich schwebte im lichtlosen Raum.
Ribana drehte sich zu mir um, daß ich ihr in die gläsern wirkenden Augen sehen konnte. Aus ihnen leuchtete mir Sympathie entgegen, und ich stellte Ribana die erste Frage.
»Wo sind wir hier?«
Sie lächelte nur.
»Wo können wir Glenda finden?«
Wieder erhielt ich als Antwort das gleiche Lächeln. Danach streichelte sie mein Gesicht, als wollte sie mich beruhigen. Für mich war die Berührung wie ein dünner Hauch mit einer Feder.
Ich nickte. Es blieb mir auch nichts anderes übrig, als mich vertrauensvoll unter ihre Obhut zu begeben. Sie hatte lange genug mit dem Roten Ryan gesprochen und sicherlich ihre entsprechenden Direktiven erhalten.
Ich nickte zurück und dokumentierte so mein Einverständnis. Wieder drehte sich Ribana auf dem Rücken. Ich hörte ein leises Schnalzen, dann reagierte das Einhorn.
Es trabte an.
Nein, nicht direkt. Durch das Schaukeln hatte ich nur mehr den Eindruck, tatsächlich aber glitten wir durch diese graue, schlammige Dunkelheit. Der Wind wehte mir die faulen Gerüche um die Nase.
Als ich einmal nach links schaute, da sah ich weit in der Ferne ein helleres Schimmern. Eine grünliche Lichtgrenze, und ich dachte daran, daß sich hinter ihr der andere, der paradiesische Teil des Landes befand, den Guywano trotz vieler Bemühungen noch nicht unter seine Kontrolle bekommen hatte.
Und so glitten oder ritten wir weiter. Wir waren schneller. Der Boden war wie ein huschender, nie enden wollender Teppich, an dessen Ende unser Ziel liegen mußte.
Wie sah es aus?
Ich starrte nach vorn. Noch war in der Dunkelheit keine Bewegung zu erkennen, aber wenig später - vor uns lag ein sanfter Hügelrücken - entdeckte ich an dessen glatter Rundung ein zuckendes Feuer.
Unser Ziel?
Ich hätte Ribana gern gefragt, aber sie verstand leider meine Sprache nicht. Da wir unsere Richtung nicht änderten, ging ich davon aus, daß jenseits des Buckels das Ziel lag, denn wo Feuer war, mußten oder konnten sich auch Lebewesen aufhalten.
Das Einhorn glitt in die Höhe.
Es war wunderbar, wie es dahinschwebte. Für einen Moment durchströmte mich das herrliche Gefühl, richtig frei zu sein, das dann brutal verschwand, als wir die Kuppe des Hügels erreicht hatten und wir von dieser Stelle aus auf die andere Seite schauen konnten.
Ich hatte mich so weit wie möglich vorgebeugt, hielt mich noch immer an Ribana fest und blickte rechts an ihr vorbei.
Die Feuer
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