0837 - Aibon-Blut
einem Besuch im Krankenhaus, wo die verletzte Moderatorin Leona Lockwood lag, die sich bestimmt freute, wenn ich ihr Blumen brachte.
Das hatte Zeit.
Ebenso wie meine Ankunft beim Yard. Im Londoner Verkehr ist es besser, wenn man sich auf die U-Bahn verläßt. So ist die Pünktlichkeit einigermaßen gesichert.
Das Gefühl, beobachtet zu werden, hatte mich überkommen, als ich mich auf der Treppe des U-Bahnschachts befand. Da war es wie ein Kribbeln über meinen Rücken und auch den Nacken hochgeflossen, und ich war auf halber Treppe stehengeblieben und hatte mich gedreht.
Es war niemand zu sehen gewesen, auf den mein Verdacht zugetroffen hätte.
Ich wartete einige Sekunden ab. An mir vorbei glitt der Strom der Passanten in die Unterwelt. Die Fahrgäste, Männer, Frauen, Halbwüchsige und Kinder hatten es eilig. Da gab es keinen ohne Ziel.
Wenn ich mir die Gesichter der Leute anschaute, so hatte ich den Eindruck, als wären sie nicht besonders glücklich darüber, an diesem trüben Dienstag arbeiten zu müssen. In London herrschte naßkaltes Wetter, die Temperaturen lagen um einige Grade über dem Gefrierpunkt. Wenn Regen fiel, dann klatschte er in kalten Tropfen gegen die Gesichter. Noch hielten die Wolken das Wasser zurück, und auch von meinem imaginären Verfolger sah ich nichts.
Ich blieb nicht länger an einer Stelle stehen, hob die Schultern und drehte mich weg. Den Rest der Treppe nahm ich schneller, eingepackt in den Strom der anderen Passanten, die das gleiche Ziel hatten wie ich. Die unterirdische Welt schluckte mich. Sie kam mir immer wieder vor wie ein riesiger Ameisenhaufen für zweibeinige Gestalten.
Da ich mich nicht in den Strom einfügte, weil ich es nicht besonders eilig hatte, wurde ich angestoßen, zur Seite gedrängt, mal heftiger, mal weniger heftig, und von der sprichwörtlichen Gelassenheit der Briten war zumindest hier nicht viel zu spüren.
Die U-Bahn in London hält keinen Vergleich mit der in Moskau aus. Die unterirdischen Stätten waren längst nicht so weiträumig und prunkvoll, hier war es schmutziger, enger, bedrückender und zugleich auch hektischer. Jeder wollte so rasch wie möglich an sein Ziel gelangen, ùnd die Geräusche anfahrender und bremsender Züge waren eine nie abreißende Begleitmusik in diesem Kessel der Hektik.
Ich hatte die Sperre bereits durchquert und blieb dicht hinter dem Gitterkreuz stehen.
Wieder der Blick zurück.
Menschen, nur Menschen. Eine winterlich grau gekleidete Masse, in der nur hin und wieder bunte Jacken wie Farbkleckse leuchteten. Ansonsten fiel mir niemand auf, der sich für mich interessiert hätte.
Harmlos, völlig harmlos…
Warum, zum Henker, wollte dann dieses komische Gefühl nicht weichen? Das beinahe schon Wissen um eine Verfolgung, die eine mir unbekannte Person durchführte.
Obwohl »mein« Zug kam, ging ich nur langsam weiter. Ich ließ mich treiben wie einer der Obdachlosen, die in den Kellern der U-Bahn Schutz gesucht hatten, weil es ihnen weiter oben viel zu kalt war.
Der Zug fuhr ohne mich ab, mir blieb also Zeit, weiterhin die Menschen zu beobachten.
Fast alle, die um diese Zeit in die Wagen stiegen, waren Berufstätige und Schüler. Wer Zeit hatte, der zeigte es auch, denn nicht weit von mir entfernt hockten einige Typen auf einer Decke zusammen, die man Sommertags oben fand.
Es waren Berber, Stromer, die ohne Zuhause waren. Sie alle hatten den stumpfen Blick der Hoffnungslosigkeit. Manche waren auch durch den Genuß von Alkohol gezeichnet, und sie glotzten nur einfach vor sich hin. Hin und wieder, wenn ihnen andere Menschen zu nahe kamen, hoben sie die Köpfe. Ihre Trägheit konnte auch leicht in Aggressivität umschlagen, wenn sie sich zu sehr gestört fühlten.
Die vier Personen, die in meiner Nähe hockten, bildeten eine altersmäßig gemischte Gruppe. Der jüngste unter ihnen, ein langhaariger Bursche, hielt eine Gitarre fest, als wäre sie seine Braut. Neben ihm saß eine Frau, die seine Mutter hätte sein können. Sie hatte ihren Kopf gegen seine Schulter gelehnt und schaute gegen die Decke, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen. Die anderen beiden schliefen noch halb, nur hin und wieder drehten sie sich unwillig um.
Das waren keine Verfolger.
Der oder die mußten woanders lauern, versteckt in der Masse, und ich wurde tatsächlich nervöser, weil ich einfach nicht herausbekam, was los war, das Gefühl aber nicht weichen wollte.
Dann passierte es.
Ein Hund huschte heran, gehalten von der langen
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