084 - Im Schatten der Guillotine
Schlange peitschte wütend das Wasser. Schließlich zog der Mann sie aus dem Teich, schwang sie wie eine Bullpeitsche und ließ ihren häßlichen Schädel gegen einen Baumstamm prallen. Die Schlange zuckte noch ein paarmal, dann verendete sie.
Brigitte weinte. Der Mann trat neben sie und legte ihr eine schwere Hand sanft auf die Schulter.
„Es ist vorüber. Beruhigen Sie sich!"
Sein Englisch war akzentfrei, aber ihm fehlten noch eine Menge Vokabeln. Alles, was er wußte, hatte er in der Kolonie gelernt.
„Bob", sagte sie erschüttert, „was wäre geworden, wenn du nicht gekommen wärest? Mein Gott, wie konnte ich nur so dumm sein!"
„Ich bin Ihnen gefolgt, Ich hatte Angst um Sie, Brigitte."
„Wirklich?"
„Sie sollten so etwas nie wieder tun."
„Du hast mir das Leben gerettet."
Sie sprach langsam und blickte dabei zu ihm empor. Ihre Nacktheit störte sie nicht. Sie hatte sich oft in Gedanken mit ihm beschäftigt, aber daß er tieferer Gefühle fähig war, hatte sie bisher nicht gewußt. Angst hatte er um sie gehabt.
Sie hatte ihn Bob genannt, weil er keinen Namen gehabt und sie sich vorgenommen hatte, eines Tages ihr Kind so zu taufen, falls sie eines haben würde und es ein Junge wäre. Bob war zwei Meter fünf groß und besaß Schultern wie ein Schrank. Nur mit einer kurzen Tropenhose bekleidet, stellte er ein imposantes Mannsbild dar. Seine Brust war dicht behaart, das Spiel seiner Muskeln beeindruckend. Ein Vollbart zierte die untere Partie seines Gesichtes. Sein Haupthaar war schwarz, voll und glänzend; die Stirn darunter breit und hoch. Klug der Ausdruck seiner dunklen Augen. Er war intelligent, doch seine Bildung ließ noch zu wünschen übrig. Brigitte war überzeugt, daß er Karriere hätte machen können. Das Wasser lief in glitzernden Perlen über seinen Körper. Er erinnerte an eine Sagenfigur des europäischen Südens.
Sie stand auf. Unwillkürlich legte sie ihre Hände auf seine Brust. „Bob! Ich bin dir ja so dankbar.
Du weißt nicht, was das für mich bedeutet."
„Von jetzt an passe ich immer auf Sie auf, Brigitte."
„Ja."
Sie mußte seine Hände führen, damit er sie umarmte und zu sich heraufzog. Brigitte lehrte ihn auch, wie man küßte, denn noch nie in seinem Leben hatte er eine Frau gehabt. Auch das, was kam, nachdem sie leidenschaftlich umschlungen zu Boden gesunken waren, brachte sie ihm kichernd bei. Er erwies sich als gelehriger Schüler.
Brigitte Thomsen war Mitte der Zwanzig. In Deutschland hatte sie ein keineswegs enthaltsames Leben geführt. Sie hatte Erfahrung, wie man so sagte. Jetzt verwandte sie alles darauf, diese Kenntnisse dem kraftstrotzenden Mann zu übermitteln.
Bob wollte kein Ende finden. Überaus glücklich streckte Brigitte sich schließlich aus. Ja, sie hatte sich in ihn verliebt; und es war so gewesen, wie sie es sich in ihren Träumen vorgestellt hatte. „Bob?"
„Ja."
„Ich liebe dich." „Was ist das - Liebe?"
Sie kicherte wieder. „Das, was wir eben getan haben. Und noch mehr. Komm, wir gehen in die Kolonie zurück, und ich erkläre dir alles ganz genau."
Sie erhob sich, trocknete sich ab und kleidete sich rasch an. Bob schritt indessen um den Teich herum und hob die grüne Schlange auf.
Bei ihrem Anblick schauderte Brigitte. „Wirf sie doch weg!"
„Ich möchte sie Magnus zeigen."
„Du meinst, sie könnte wichtig für ihn sein, Aufschluß über irgend etwas liefern?"
,Ja. Er muß sie sehen.
Hand in Hand liefen sie zu der versteckten Siedlung. Die Tatsache, daß sich eine tote Schlange in ihrer Gesellschaft befand, hemmte Brigitte irgendwie. Bevor Bob das furchterregende Ungeheuer nicht wieder aus den Händen gegeben hatte, konnte sie ihn bestimmt nicht wieder umarmen und küssen.
Schon aus einiger Entfernung erblickten sie Magnus Gunnarsson. Er stand mit etwas abgewinkelten Beinen auf dem Platz, der durch die rondellartige Anordnung der Häuser im Zentrum der Siedlung entstanden war. Gelassen erwartete er eine Gruppe von Fremden: zwei langhaarige, sehr attraktive Frauen, einen Neger und zwei weiße Männer. Lemmy, den alle im Dorf als eine Art Faktotum kannten und schätzten, war auch wieder zur Stelle.
Bob nahm sofort eine lauernde, kampfbereite Haltung an.
Kühl musterte Gunnarsson die Ankömmlinge. In seinen tiefblauen Augen spiegelte sich weder Ärger noch Überraschung oder gar Freude. Er trug einen beigen Tropenanzug mit Gürtel und zünftigen Schulterstücken. Sein Kopf war unbedeckt. Im fahlen Mondlicht erschien
Weitere Kostenlose Bücher