0849 - Schattengesicht
mehr weiter!« flüsterte er, als Sarah beinahe das Bett erreicht hatte. Er winkte mit seinem freien Arm, und die Frau hatte den Eindruck, daß dieser im Verhältnis zum Körper des Mannes überproportional groß war.
Sarah blieb stehen.
Der Zwerg gab ein Geräusch von sich, das sie schütteln ließ. Es war ein tiefes, widerlich klingendes Schmatzen, als wollte er seinen wiedergekäuten Speichel noch einmal schlucken.
»Dir gehört das Haus, wie?«
Sarah nickte.
»Es ist schön!« flüsterte der Zwerg. Er bewegte dabei seinen Kopf, als wollte er sich noch einmal genau umschauen, ob seine Worte auch zutrafen. Dann lachte er. »Auch ein schönes Sterbezimmer. Ich denke soeben darüber nach, wen ich von, euch zuerst umbringen soll. Ich habe die Auswahl, die alte und die junge Frau.«
»Nehmen Sie mich!« sagte Lady Sarah ächzend. »Ich habe das Leben schon hinter mir.«
»Stimmt«, gab der Zwerg zu, »aber bei ihr habe ich es bequemer.« Er meinte damit Jane Collins, die die kalte Klinge der Machete an ihrem Hals spürte und nicht einmal wagte, mit den Mundwinkeln zu zucken. »Bei ihr brauche ich nur den leichten Druck, und es fließt Blut. Ich werde es auch tun, Alte, solltest du dich entschließen, euren gemeinsamen Freund um Hilfe zu rufen. Er kann und wird dir nicht helfen. Er soll erleben, wie es ist, wenn der Fluch meines Meisters jemand getroffen hat. Keiner entkommt ihm, auch euer Freund nicht. Wenn ich dieses Haus verlasse, bleiben drei Tote zurück. Der Meister hat mir freigegeben. Ich darf mich für die erlittene Schmach retten, und das werde ich auch genüßlich tun, darauf könnt ihr euch verlassen.«
Lady Sarah konnte nicht reden. Was immer sie auch sagte, es war sicherlich verkehrt. Der Zwerg hielt mit seiner verdammten Machete alle Trümpfe in der Hand.
Sie schaute in Janes Gesicht.
Es war starr, völlig ohne Ausdruck. Nichts spiegelte sich darin wider. Die Detektivin sah aus wie eine Person, die sich völlig aufgegeben hatte. Ein Mensch, der nicht mehr an die Hoffnung glaubte, dem alles egal war.
Das stimmte nur bedingt oder äußerlich gesehen, denn Jane war sich über die Lage schon im klaren.
Sie machte sich ihre Gedanken, sie suchte auch nach einer Möglichkeit, wie sie aus dieser lebensgefährlichen Klemme herauskommen konnte.
Mit einer schnellen, reflexhaften Bewegung war es nicht getan. Damit wäre ihr der Tod sicher. Es mußte eine andere Möglichkeit geben. Sie hatte auch Zeit genug gehabt, diesen Gnom einzuschätzen. Sie war natürlich sauer, daß es ihm gelungen war, in das Haus einzudringen und sie dann noch in ihrem Zimmer zu überraschen. Das hätte sie durch den Traum vorhersehen müssen, doch sie war einfach zu benommen gewesen und hatte an das Schlimmste nicht gedacht.
Der Zwerg roch!
Es war ein fremder Geruch. So widerlich streng, nach Metall und altem Gras stinkend, nach verfaulten Körpern und stockigem Blut.
Das alles mischte sich zusammen und nahm ihr beinahe den Atem. Luft holte sie nur durch die Nase, und dies auch noch ganz vorsichtig. Auf keinen Fall wollte sie dem anderen eine Chance geben, sie zu töten. Äußerlich wirkte sie ruhig. In ihrem Innern jedoch sah es anders aus. Vor allen Dingen in ihrem Kopf, wo sich die Gedanken wie Blitze bewegten und versuchten, eine Lösung zu finden.
Es gab keinen Ausweg.
Jedenfalls nicht auf dem normalen Weg. Das stand für die Detektivin fest.
Und auf dem unnormalen?
Das Wort war vielleicht falsch. Sie formulierte es anders, und ihr fiel dabei der Begriff magisch ein.
Sie dachte daran, daß sie einmal eine Hexe gewesen war. Keine positive, sondern eine, die auf der anderen Seite gestanden hatte. Auf der des Satans.
Zwar war sie davon befreit worden, aber es gab noch Reste, die in ihrem Körper steckten. Latente Hexenkräfte, Power einer schwarzmagischen Macht, eine Kraft, die sie nur in bestimmten Streßsituationen einsetzen konnte.
Wie diese?
Jane hoffte es. Sie arbeitete darauf hin, die Flamme der alten Kraft einsetzen zu können. Nichts anderes wollte sie tun. Sie mußte es auf diesem Wege versuchen.
Gewalt gegen Psyche!
Nur das war es, nur das zählte.
Der dämonische Zwerg war nicht abgelenkt, aber er unterhielt sich doch mit Lady Sarah und widmete Jane nicht nur seine gesamte Aufmerksamkeit.
Sie startete den ersten Versuch und entspannte sich. Jane Collins wollte dabei locker sein, sie mußte es sogar, sonst gelang es ihr nie, aus dieser Klemme herauszukommen.
Sie kämpfte innerlich.
Ihre Augen fielen
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