085 - Hexensabbat
volle
Minute herrschte Totenstille in dem dumpfen, nach Blut und Kräutern riechenden
Kellergewölbe. Ellen Seether saß da wie eine schöne
Statue, die ein begnadeter Künstler aus weißem Marmor gemeißelt hatte. Das
Mädchen starrte auf die Priesterin, und ihre Hände glitten mechanisch über den
kalkweißen Schädel, den sie mit ihren Schenkeln festhielt.
Morna
Ulbrandson wollte sich dem Bann entziehen, der wie ein Zentnergewicht auf ihren
Körper und Geist drückte. Sie wurde Zeuge, wie eine unmoralische, verderbte
Gesellschaft neue Maßstäbe setzte. Plötzlich erfüllte ein einziger Jubelschrei
das Innere des unterirdischen Saales.
»Es lebe
Luzifer !« rief Circe, und warf die nackten Arme in die
Höhe.
Ihre Reaktion
steckte die anderen an. Wie auf Kommando hin brüllten sie los, und priesen
Satans Königreich. In das Toben hinein, in dem auch das rhythmische Trommeln
wieder anschwoll, fielen die schwarzen Kutten. Die jungen Mädchen und Frauen
standen nackt da.
Morna
handelte mechanisch und ließ auch ihr Gewand zu Boden gleiten. Wie die anderen,
so streckte auch sie die Hände zur Decke und bildete mit den übrigen Nackten
ein Spalier. Schwitzende Gesichter tauchten vor ihr auf. Alles um sie herum
geriet in Bewegung, ins Kreisen. Sie versuchte die Bilder, die sie empfing,
festzuhalten. Aber wie im Rausch rasten sie an ihr vorbei. Candy Marlowe
tauchte neben ihr auf. Mit glasigen, verträumten Augen musterte sie Morna und
war erstaunt, sie hier zu sehen.
Ein Meister
und eine Priesterin Satans machten die Runde. Er trug ein großes, bronzenes
Gefäß, mit dem er immer wieder den großen Kelch auffüllte, der nun von Mund zu
Mund ging.
Auch Morna
trank. Eine ungekannte Stimmung und die Angst um ihre Freiheit rissen sie mit
sich fort.
»Ich will zu
euch gehören«, wisperte sie und streckte die Arme nach Candy aus. »Laßt mich
auch Satan dienen !«
Sie wußte
nicht, was mit ihr geschah und wieviel Zeit verging.
In der
Dämmerung rückten die Körper zusammen, und Morna entdeckte sich in der Mitte
vor dem Altar und vor den Meistern wieder. Sie hatte keine Angst davor, daß man
ihr Eindringen bestrafen könnte. Merkwürdig! Man nahm sie auf, als wäre sie
schon immer dabei gewesen . Sie trank das seltsame
Gemisch aus Schweineblut und Kräutersud, stand Rede und Antwort, ohne zu
begreifen, was sie sagte und was sie hörte. Alles war ein einziger Rausch,
unbegreiflich, schrecklich schön, abstoßend und anziehend zugleich.
X-GIRL-C
hatte plötzlich das Gefühl, in diesem Rausch von Tönen und betäubenden Dämpfen
mit einem großen Schlachtermesser in der Hand an Ellen Seethers Körper vorüberzuschreiten, die auf dem schwarzen Altar lag. Morna nahm das
Messer in beide Hände, stellte sich vor Ellen Seether auf und hielt die lange, scharfe Schneide senkrecht mit der Spitze nach unten.
●
Der Tod von
Paul Tabbert war an X- RAY-3 nicht spurlos vorübergegangen. Immer wieder hatte
Larry nach seiner Rückkehr von Reverend Dhunan das
Band abgehört, um auf einen Hinweis zu stoßen. Wie eine Bombe hatte das
Ereignis bei Scotland Yard eingeschlagen.
Verzweifelt
hatte man in der Abteilung versucht, den grauenhaften Vorfall zu verstehen.
Tabbert hatte sich überarbeitet. Das war die allgemeine Ansicht, die man
vertrat. Keiner glaubte so recht daran, daß eine unbekannte Macht eingegriffen
hatte. Tabbert war in den letzten Tagen kaum noch ins Bett gekommen. Nur
Higgins und Larry Brent waren mit dieser Version nicht ganz einverstanden.
Auch Larry
fühlte sich müde und abgeschlagen. Zuviele Wege waren
heute zu erledigen gewesen. Doch nach der Auswertung von Aktenmaterial und
Tonband schien sich anzuzeigen, daß es in dieser Nacht spät werden würde.
X-RAY-3 saß
Edward Higgins in dessen Amtszimmer gegenüber. »Es gibt keinen Hinweis darauf,
daß von den verdächtigen Personen, die bereits vernommen wurden, einer für den
Tod Tabberts verantwortlich zu machen ist«, murmelte Larry. Er saß nachdenklich
da, hatte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepreßt und starrte auf
die geschlossene Akte. »Es hängt mit dem heutigen Tag zusammen. Ich fühle das
instinktiv. Die Stimme am Telefon jedoch - paßt nicht zu der Person, die ich in
Verdacht habe .«
»Lord Shanny ?« fragte Higgins. Er
stopfte sich abwesend seine Shagpfeife.
Larry nickte.
»Das ist meine Idee. Aber die Stimme ist es nicht. Doch das braucht nicht
unbedingt etwas zu bedeuten. Vielleicht hat Shanny Freunde .«
»Er -
Weitere Kostenlose Bücher