0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht
nicht. Nein, das kann nicht stimmen.« Jochem trat hinter den Detektiv, als wollte er dessen Nähe spüren. »Es sind Menschen, Harry.«
»Stimmt.«
Franz lachte. »Dann erkläre mir bitte, wie Menschen gegen Geister ankommen sollen. Ich bin kein Fachmann, aber ich kann mir vorstellen, daß Wesen aus diesen anderen Welten uns Menschen haushoch überlegen sind. Das solltest auch du akzeptieren, denn wir haben ja erlebt, was mit diesem Schlächter Kraft geschah.«
»Ja, Franz, du hast im Prinzip recht.«
»Nicht nur im Prinzip.«
»Doch, doch.« Der Detektiv drehte sich um. »Franz«, sagte er nahezu beschwörend. »Ich gebe dir im Prinzip ja recht. Es ist alles so, wie du es dir vorgestellt hast. Nichts gibt es daran zu rütteln, aber es existieren doch gewisse Ausnahmen. Nichts ist perfekt, glaube es mir. Auch das Geisterreich nicht. Und wenn ich von Ausnahmen gesprochen habe, dann meine ich John Sinclair und Suko. Sie beschäftigten sich mit übersinnlichen Fällen. Ähnliches habe ich auch früher getan. Ich will mich jetzt nicht in Einzelheiten verlieren, aber ich könnte dir von Fällen berichten, da bleiben dir Mund, Ohren und Nase vor Staunen offen. Ich weiß schon, was ich tue.«
Franz Jochem bedachte Harry mit einem Blick, der an Abschied erinnerte. »Nun gut«, sagte er, »ich habe verstanden. Ich weiß jetzt, daß ich dich nicht überzeugen kann. Jeder muß seine Erfahrungen sammeln. Du hast deine gemacht, ich die meinen. Aber ich bleibe bei meinem Entschluß. Ich werde nicht mehr an deiner Seite sein. Ich setze mich in den nächsten Zug und fahre nach Hause. Ist es dir recht? Bist du sauer?«
Harry schaute Franz Jochem an und lächelte dabei. Er mochte diesen Mann mit dem Knittergesicht und nickte ihm zu. »Nein, Franz, nein, auf keinen Fall. Ich werde dir immer dankbar sein, daß du mich überhaupt auf die Spur gebracht hast. Du hast richtig reagiert. Ich gebe dir einen Teil der positiven Schuld an meiner Rehabilitierung, falls es dann soweit kommt. Wir werden in Kontakt bleiben.«
Jochem atmete tief ein. Es sah bei ihm aus wie eine Geste der Erlösung. »Dann bist du auch nicht sauer auf mich?«
»Wie käme ich dazu? Du hast dein Arbeitsleben hinter dir, ich fange wieder an.«
»Ja, das stimmt schon, wenn man auf die Siebzig zugeht.« Er hob die Schultern. »Man kann sich die Welt eben nicht aussuchen, sage ich mir immer.«
»So ist es.«
Jochem warf noch einen letzten Blick auf die Wohnung. Er schauderte, als er die Leiche sah. »Ich werde jetzt gehen, Harry.«
Stahl brachte ihn bis zur Tür. Im Flur reichten sich die beiden Männer die Hände. »Und ich höre wirklich von dir?« fragte Franz Jochem sicherheitshalber nach.
»Das ist versprochen.«
»Dann drücke ich dir beide Daumen, du alter Geisterjäger.«
Harry mußte lachen. »Soweit bin ich noch nicht. Das überlasse ich anderen.« Er wandte sich erst ab, als sein neuer Freund Jochem die Treppe hinunterging.
Dann betrat er die Wohnung. Er eilte zum Telefon und rief eine Nummer in London an…
***
Und somit stiegen Suko und ich endlich in diesen Fall ein, von dem wir so verflixt wenig wußten, uns aber eine Aufklärung von unserem Freund Harry erhofften, der versprochen hatte, uns vom Leipziger Flughafen abzuholen. Wir landeten am späten Vormittag und wunderten uns beide, was sich dort getan hatte.
Gebaut, gebaut, gebaut…
Es wurde überall gebaut. Dieser Zweig der Konjunktur boomte und auch der Flughafen und dessen Umgebung waren davon nicht verschont geblieben. Wir nahmen es hin und dachten auch daran, daß sich in einigen Jahren alles geändert haben würde.
Der Clipper hatte nur eine kurze Verspätung gehabt. Harry Stahl wartete auf uns. Er trug einen leichten, hellen Regenmantel, und wir sahen ihn hinter der Absperrung auf- und abgehen.
Suko grinste. »Schau ihn dir an, John, er sieht aus, als wäre er mit frischer Energie geladen worden.«
»Hoffentlich«, erwiderte ich nur.
Dank unserer Sonderausweise wurde auf Kontrollen verzichtet, so kamen wir als erste durch, und wir schauten einem lachenden Harry Stahl entgegen, der zuerst mich, dann Suko umarmte und uns danach kräftig die Hände schüttelte.
»Kinder, bin ich froh, daß ihr hier seid.«
»War es so schlimm?« fragte ich.
»Der reinste Horror. Aber ich vermute, daß es erst der Anfang gewesen ist.«
»Einiges hast du ja am Telefon erzählt. Hat es inzwischen neue Vorfälle gegeben?«
»Überhaupt nicht, John.«
»Und jetzt?«
»Trinken wir erst mal
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