0854 - Jäger der verlorenen Seelen
Bescheid.«
»McGeoff?«
»Ja, Junge.« Er lachte auf. »Das kann doch nicht wahr sein. Er scheint es gewußt oder geahnt zu haben, daß das Verschwinden der vier jungen Leute etwas mit Vorgängen zu tun hat, die in der Vergangenheit begraben liegen. Da müssen wir ungefähr fünfzig Jahre zurückgehen.«
»Was ist es denn?«
Er winkte ab. »Durchsuche du das Haus. Ich werde mehr wissen, wenn du wieder hier bist.«
Irgendwo hatte ich ein gutes Gefühl, und das bestätigte sich auch, denn in keinem der von mir durchsuchten Zimmer fand ich eine Leiche. Ich entdeckte auch keine Kampfspuren. Was dieses Monstrum hier gewollt hatte, war nicht klar ersichtlich. Wahrscheinlich hatte es durch einen Mord auch einen Zeugen killen wollen.
Als ich wieder in die kleine Küche zurückkehrte, fand ich meinen Vater in die Unterlagen vertieft vor. Er las, er ließ sich durch mich nicht stören, murmelte hin und wieder etwas und schüttelte dabei den Kopf. »Das darf doch nicht wahr sein.«
»Was denn, Dad?«
Er schlug mit einer Hand auf die Blätter. »Junge, das ist tatsächlich die Lösung.«
»Und wie sieht die aus?«
»Willst du alles wissen?«
»Nur das Wichtigste.«
»Okay.« Er nahm seine Brille ab. »Im Jahre 1943 ist ein Mann namens Uliak, ein Ukrainer, hier im Ort tatsächlich lebendig begraben worden.«
»Und warum?«
»Er war ein entflohener Gefangener. Er hatte auf der Seite der Deutschen gekämpft. Er fand hier Zuflucht, er hat hier sogar gearbeitet, aber er ist einem unheilvollen Trieb nachgekommen.« Mein alter Herr wurde blaß, er senkte seine Stimme zu einem Flüstern.
»Dieser Mensch hat vier Kinder umgebracht.«
»Verdammt.«
Horace F. Sinclair atmete durch die Nase schnaufend aus. »Ja, das kannst du sagen. Man hat ihn auf frischer Tat ertappt, als er ein fünftes Kind töten wollte.«
»Und weiter?«
Er hob die Schultern. »Es war Krieg, andere Zeiten. Denk an die einsame Gegend. Die Menschen wollten wohl nicht, daß man den Georgier vor ein Gericht stellte. Da haben sie selbst ein Urteil über ihn gesprochen und es auch vollstreckt.«
»Indem sie ihn lebendig begruben.«
Er nickte. »Sie schlugen ihn zusammen, sie fesselten ihn und legten ihn in ein Grab.« Er deutete auf die Papiere. »Dieser Uliak ist erwacht, noch während sie das Grab zuschaufelten. Sie haben ihm auch keinen Sarg gegeben, er wurde in die Erde gelegt, den Rest kennst du ja. Sie schauten zu, wie er den Tod wohl erlebte. Sie hörten sein Schreien und sein Flehen, aber es gab niemanden, der ihm zur Seite gestanden hätte. Einige waren wohl der Meinung gewesen, daß es nicht der richtige Weg wäre, aber sie wurden überstimmt von der Masse.«
Ich schüttelte mich. »Verdammt, das ist ein schrecklicher Tod. Ich weiß, wovon ich rede, aber ich kenne nicht das Motiv, das ihn zu einer Rückkehr getrieben hat.«
Mein Vater deutete auf die Blätter. »Danach habe ich auch vergeblich gesucht.«
»Man kann es sich einfach machen und erklären, daß er einen besonders guten Draht zur Hölle gehabt hat, aber das würde ich nicht unterstreichen. Ich könnte mir vorstellen, daß uns ein gewisser Mc Geoff mehr sagen kann.«
»Sicher. Nur ist der verschwunden.« Mein Vater schlug mit der flachen Hand auf die Papiere. »Ich mache dir einen Vorschlag, John. Ich werde hier im Haus bleiben und auf unseren Küster warten. Fahr du hinunter in den Ort. Ich denke schon, daß beide Familien in einer größeren Gefahr schweben. Dieser Uliak wird nicht aufgeben.«
Der Vorschlag klang gut. Daß ich dennoch zögerte, hatte mit der Angst um meinen Vater zu tun. Er merkte es, regte sich auf und warf mich fast aus dem Haus.
»Was soll ich denn Mutter sagen?«
»Die Wahrheit, John.« Er grinste und schmetterte neben dem Wagen stehend die Fahrertür zu…
***
Auch Alida Wayne sah gestreßt aus, als sie das Ehepaar Travers ins Haus bat. Kate ging vor, Gordon humpelte hinter ihr her. Er stützte sich auf seinen Wanderstock ab. Das Geschäft hatten die beiden geschlossen. Dafür würde jeder Kunde Verständnis haben.
»Ist Fred auch da?« fragte der Verletzte.
»Ja, in seinem Arbeitszimmer.« Alida schaute Gordon an. »Blöde Frage, aber geht es dir gut?«
»Den Umständen entsprechend, danke. Ich muß mich erst an mein drittes Bein gewöhnen.« Er hob den Stock etwas an. »Trotzdem habe ich Glück gehabt. Wäre Mary Sinclair nicht gekommen…«, er hob die Schultern, »ich glaube nicht, daß ich es geschafft hätte.«
Alida lächelte und nickte.
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