0857 - Die Schnitterin
vorgewarnt waren, nicht einmal eine Überraschung, denn auch in der sehr breiten ersten Etage, die eine kleinere Mittelhalle aufwies, von der Zimmertüren abzweigten, sah es ähnlich aus.
Kalte Steinwände. Säulen, die eine Decke stützten, aber in der Halle lag ein Teppich.
Sein Stoff strahlte in einem hellen Gelb. Er sollte wohl so etwas wie die Sonne dokumentieren, die es irgendwann schaffte, die Kälte zu unterbrechen. Nur in dieser Umgebung war ihr das nicht möglich gewesen.
Wir trennten uns wieder. Suko schaute sich die Zimmer auf der linken, ich mir die auf der rechten Seite an.
In keinem der Räume hätte ich mich wohl fühlen können. Das mochten früher die alten Griechen und in der Jetztzeit Thornton Brundage nebst Frau so getan haben, mir war es zu kühl eingerichtet, auch wenn nur edelste Materialien verwendet worden waren.
An Geld hatte es dem Besitzer dieses griechischen Eispalastes nicht gemangelt.
Als ich die letzte Tür hinter mir schloß, fiel mir ein, daß ich auch keine einzige Blume gesehen hatte, obwohl Vasen genug vorhanden gewesen waren. Dieses Haus war für mich eine gewaltige Leichenhalle oder Leichenkammer.
Bilder bedeckten hier oben ebenfalls einen Teil der Wände. Nur zeigten sie normale Motive. Einige Warhols brachten Farbe in das kalte Weiß, sei es nun das Gesicht von Marilyn Monroe oder die Reklame für eine Hühnersuppe aus der Dose.
Ich brauchte nur Sukos Gesicht zu sehen, um zu wissen, wie er sich fühlte. »Alles ist pieksauber und fein in den Zimmern«, berichtete er. »Man kann wirklich nichts dagegen sagen. Jede Zimmertür, die ich öffnete, kam mir vor wie der Zugang zu einem anderen Grab, in dem die gleiche Kälte herrschte, auch in den Bädern.«
»Richtig, keine Spur von Leben.«
»Und nun?«
Ich deutete mit dem Daumen nach unten. »Der Keller steht uns noch bevor, Suko.«
»In den Rosario nicht hineindurfte, aus welchen Gründen auch immer.«
»Richtig.«
»Ich bin nur gespannt, ob wir ihn öffnen können. Wer sich so absichert, wird das auch bei seiner Tür zum geheimen Reich getan haben.« Suko ging vor und erreichte auch als erster die Treppe. Da ich hinter ihm blieb, konnte ich über ihn hinweg in die Halle schauen und sah, daß dort Rosario auf uns wartete. Er hatte die Schuhe gewechselt und trug nun große Pantoffeln, um nichts zu beschmutzen.
»Haben Sie oben einen Hinweis gefunden?« erkundigte er sich.
»Nein«, sagte Suko.
»Das dachte ich mir.«
»Warum?«
»Weil der Chef ein sehr ordentlicher Mensch ist.« Er schluckte.
»Oder es war.«
»Und er war Bildhauer, nicht?«
Der Gärtner nickte Suko zu.
»War er auch Maler?«
Rosario deutete auf die Porträts. »Sie alle stammen aus seiner Hand. Sie sind wunderbar, nicht?«
»Darüber kann man sich streiten. Subjektiv betrachtet schon. Er hat seine Frau wohl sehr geliebt.«
»Ich sagte ihnen doch schon. Er liebte sie über alle Maßen. Er hat sie auch oft fotografiert, wie Sie sehen können.«
»Aber von seinen Arbeiten, die er als Bildhauer fertigte, haben wir noch nichts gesehen.«
»Das konnten sie auch nicht. Ich kenne sie auch nicht. Er hat sie wohl nur seiner Frau gezeigt.«
»Sind Sie denn hier?«
Rosario flüsterte die Antwort. »Sie müssen im Keller sein, denn dort hat er immer gearbeitet. Ich habe es gehört, aber ich durfte nie hinein.«
»Dann war dort sein Atelier?«
»Ja.«
Suko wunderte sich ebenso wie ich. »Normalerweise braucht ein Maler oder Bildhauer das Licht des Tages, wenn er arbeitet. Wie kann man nur in einem Keller schaffen?«
»Der Chef konnte es.«
»Und Sie waren nie dort unten?«
»Nein.«
»Haben auch keinen Blick hineingeworfen.«
»Doch.«
»Aha«, sagte Suko.
»Ich habe aber nichts gesehen, weil ich bei der Tür oben an der Treppe stehengeblieben bin.«
»Dann war die Tür also offen«, sagte ich.
»Sicher.«
»Ist sie jetzt verschlossen?«
»Wie immer.«
Ich schaute dem Gärtner in die Augen. »Und Sie können sie auch nicht öffnen?«
»Nur mit einem Spezialschlüssel. Wenn Sie sich das Schloß anschauen, werden Sie sehen, daß ich recht habe. Ich denke mir, daß Sie in den Keller hineinwollen.«
»Darauf können Sie sich verlassen.«
Zum erstenmal, seitdem wir Rosario begegnet waren, umspielte ein wissendes Lächeln seine Lippen. Dann griff er in die Tasche des Overalls, kramte darin herum, bevor er einen länglichen Gegenstand hervorholte. »Es ist der Ersatzschlüssel«, erklärte er uns. »Ich wußte immer, wo er zu finden
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