086 - Das Grab des Vampirs
aufgeschrien. Sie war überzeugt, einen menschlichen Kopf zu sehen, der gerade vom Rumpf abgetrennt worden war.
Ira zitterte am ganzen Körper. Sie wußte, daß sie gegen einen Mann wie Albert vollkommen hilflos war. Mit seinen gewaltigen Kräften konnte er sie jederzeit mühelos überwältigen.
Sie wartete. Deutlich konnte sie hören, wie Albert sich entfernte. Seine Füße schlurften über den Boden. Doch dann, als sie schon aus ihrem Versteck wollte, sah sie die Schatten zweier Füße am unteren Schlitz der Tür.
Hatte Albert Maurnier sie doch bemerkt? Lauerte er auf sie, um ihr womöglich ebenfalls den Kopf mit dem Beil abzuschlagen? Oder stand jemand anderer hinter der Tür?
Ira bückte sich und streifte sich die Schuhe von den Füßen, Barfuß schlich sie zu der Tür, durch die sie gekommen war. Vorsichtig drückte sie den Türdrücker herunter und versuchte, die Tür zu öffnen. Aber sie ging nicht auf. Jemand hatte sie in der Zwischenzeit von der anderen Seite her zugeschlossen.
Sie ließ den Türgriff los, als wäre er aus glühendem Eisen, fuhr herum und blickte zu der anderen Tür. Der Mann an der Tür hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Doch jetzt verschoben sich die Füße.
Ira wich in den äußersten Winkel des Ganges zurück und suchte hinter einer Ritterrüstung Schutz.
Die Tür öffnete sich. Es war Albert Maurnier, der Kastellan. Jetzt hatte er nur noch das Henkersbeil in der Hand; die andere Hand war leer, und die Finger waren gekrümmt. Albert schnaufte, als ob er unter Atemnot litte. Oder war es die Erregung, weil er sich seines Opfers sicher war?
Ira wollte schreien, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Kein einziger Laut kam über ihre Lippen. Jetzt bereute sie, daß sie der Bitte Runges nicht gefolgt und sofort mit ihm abgereist war. Wie hatte sie sich nur einbilden können, die Geheimnisse dieses Schlosses zu ergründen?
Albert kam mit schaukelndem Gang näher. Er murmelte etwas vor sich hin. Das Beil baumelte in seiner Hand.
Ira kam sich nackt und bloß vor. Hatte er sie noch nicht entdeckt? Oder wußte er genau, wo sie steckte? Wollte er sie nur quälen, um dann plötzlich über sie herzufallen und mit dem Beil auf sie einzuschlagen?
Der Kastellan ging zu der verschlossenen Tür, drückte den Griff herunter und öffnete die Tür. Er schüttelte den Kopf, als könnte er nicht verstehen, daß die Tür auf war, betrat den Raum dahinter und zog die Tür hinter sich zu.
Fassungslos starrte Ira auf die Tür. Sie begriff überhaupt nichts mehr. Wie von tausend Furien gehetzt, raste sie auf die andere Tür zu, stieß sie auf und prallte entsetzt zurück.
Albert Maurnier stand vor ihr und musterte sie mürrisch. In der linken Hand baumelte das Beil, dessen Schneide blutig war. In der anderen Hand hielt er eine Bisamratte, die er offenbar kurz zuvor erschlagen hatte.
„Was treiben Sie hier?“ fragte er. „Monsieur sieht es nicht gern, wenn sich die Gäste ohne seine Einwilligung das Schloß ansehen.“
Hinter ihm tauchte unversehens Dietmar Runge auf. Ira lief an dem Kastellan vorbei und floh in Runges Arme. Er zog sie behutsam an sich und blickte dem Faktotum nach, das durch die Tür verschwand.
„Was ist passiert, Ira?“ fragte er.
„Er – er wollte mich töten“, antwortete sie stockend.
„Aber Ira! Albert ist ein mürrischer, aber harmloser Mann. Niemand will dich umbringen.“
„Ich weiß es genau, Didi.“
Er legte eine Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf. Lächelnd blickte er ihr in die Augen. „Wenn du es so genau weißt, Ira, dann laß uns von hier verschwinden. Wir können sofort abreisen.“
„Gut. Ich komme mit.“
Runge nahm ihre Hand und eilte zu ihrem Zimmer.
„Ich packe schnell“, sagte er. „Ich komme gleich zurück.“
„Gut. Ich bin auch gleich fertig.“
Ira warf ihren Fotoapparat aufs Bett und raffte ihre Sachen zusammen. Sie hörte nicht, daß die Tür sich hinter ihr öffnete.
„Sie wollen abreisen?“
Ira fuhr erschrocken herum. Vor ihr stand der Comte de Rochelles.
„Ja“, antwortete sie. „Ich halte es hier einfach nicht mehr aus.“
Sie schilderte ihm, was geschehen war. Er nickte.
„Sie waren nicht in Lebensgefahr, Ira. Das alles sollte Sie vermutlich nur erschrecken. Man will Ihnen Angst machen, damit Sie abreisen. Man will nicht, daß Sie mir zur Seite stehen. Man will mich allein wissen, weil ich dann verletzlicher bin.“
Sie verstand, daß er sie mit diesen Worten um ihre Hilfe und ihren Schutz bat.
„Ihnen
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