086 - Der Alptraum-Dämon
würde dieses eine Mal gehorchen und hinterher frei sein.
Wie ein weißes Schemen glitt die Vampirnixe durch das kristallklare Wasser.
Sie scheuchte Fischschwärme auf. Die Tiere spürten das Böse, das sie verkörperte, und nahmen ängstlich Reißaus.
Sie war allein. Vampire haben keine Freunde, an Land nicht und nicht unter Wasser. Allmählich begann sie sich im Meer wohlzufühlen.
Vielleicht würde sie in Zukunft die meiste Zeit im Wasser verbringen.
Sie wußte, wohin sie schwimmen mußte. Kull hatte ihr die genaue Position der ALBATROS genannt, und es fiel ihr unglaublich leicht, sich zu orientieren, denn etwas in ihr war zum Fisch geworden, und davon ließ sie sich leiten.
Sie schwamm an bunten Korallenbänken vorbei, und manchmal berührten Schlinggewächse ihren Körper, ohne daß sie sich darin verfing. Melissa ging etwas tiefer. Der Wasserdruck machte ihr nichts aus. Es war unmöglich, auf größere Entfernungen zu sehen, und sie erkannte vor sich zwei schlafende Haie.
Würden die Killer sie wittern?
Wie würden sie sich verhalten?
Würden sie sie angreifen?
Melissa wich den Haien nicht aus. Sie fühlte sich ihnen nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen. Sollten die Haie sie angreifen, würde sie die Herausforderung annehmen, kämpfen und siegen.
Die Vampirnixe preßte die Arme an ihren Körper. Kraftvoll bewegte sie die Schwanzflosse, und pfeilschnell schwamm sie auf die Haie zu.
Jetzt witterten die Feinde sie, und sie nahmen sofort Kurs auf Melissa, aber dann siegte die Angst. Die Haie spürten die tödliche Gefahr, die von Melissa ausging, warfen sich buchstäblich herum und suchten entsetzt das Weite.
Die Vampirnixe grinste. Wenn selbst die Haie vor ihr in panischer Furcht Reißaus nahmen, gab es wohl nichts, was sie in diesem Meer zu fürchten hatte.
Der Ozean - ein endlos weites Jagdrevier für Melissa!
Sie schwamm unermüdlich.
Irgendwann tauchte schräg vor ihr der dunkle Rumpf der ALBATROS auf.
Sie hatte ihr Ziel erreicht!
***
Carrasco stand in seinem magischen Kreis und hielt den Kontakt zu Malas aufrecht. Der Jadedämon ließ ihn Anteil nehmen an dem Alptraum, mit dem er Milburn L. Caan in Angst und Schrecken versetzt hatte. Der Schamane hatte Kenntnis von dem Versprechen, das Caan gegeben hatte, und er wußte, daß der Mann es nicht wagen würde, dieses Gelöbnis zu brechen.
Reglos stand Carrasco da.
Er gab sich ganz den Einflüssen hin, die ihm Malas übermittelte.
Begierig saugte er sie in sich auf, und ein verklärtes Lächeln lag auf seinem Gesicht.
Er hatte die Augen geschlossen, und doch »sah« er, denn der Alptraumdämon ersetzte seine Augen, ließ ihn sehen, was auf der Yacht geschah, ließ ihn hören, was Caan sprach.
Und bald, schon sehr bald würde er Malas in Händen halten, würde die Statue an sich pressen und taumeln vor Glück, denn für ihn hatte Malas einen Wert, den man mit allem Geld dieser Welt nicht begleichen konnte.
***
Melissa schwamm jetzt langsamer. Sie näherte sich der ALBATROS, ohne daß es den Posten auffiel. Unter dem Schiff stoppte sie und hob den Kopf.
Bleich wie das Gesicht einer Wasserleiche war ihr Antlitz, und ihr dunkles Haar umwehte es wie schwarzer Seetang.
Sie näherte sich dem Heck und tauchte vorsichtig auf. Die Umrisse eines kräftigen Mannes hoben sich undeutlich vom dunklen Nachthimmel ab.
Er kehrte dem Wasser den Rücken zu.
Doch nur für kurze Zeit. Dann drehte er sich um und hielt ein Nachtglas vor seine Augen. Er suchte das Meer ab, ohne zu erwarten, etwas zu entdecken.
Melissa schwamm so nahe an die Yacht heran, daß sie sie berühren konnte. Die Schwanzflosse zog sie unter sich langsam hin und her, während sie den großen, bulligen Mann nicht aus den Augen ließ.
Er setzte gerade das Nachtglas ab und ließ es an einem Lederriemen vor seiner Brust baumeln.
Der Mann war Butch Gwynne. Auf ihn hielt Milburn L. Caan besonders große Stücke, denn er führte jeden Befehl aus, den er bekam, ohne darüber nachzudenken.
Das hatte er wieder einmal bewiesen, als er Virgil Redmond erdrosselte. Es gab einfach nichts, was Gwynne für Caan nicht getan hätte.
Er verfolgte damit ein Ziel. Irgendwann würde dieser Job hier zu Ende sein. Dann würde sich Caan von den Männern, die er angeheuert hatte, damit sie die ALBATROS bewachten, trennen müssen.
Doch Gwynne wollte bei Caan bleiben. Als dessen Leibwächter.
So etwas brauchte Caan, wenn er erst mal stinkreich war. Deshalb wollte sich Gwynne jetzt schon unentbehrlich
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