0860 - Dämonische Zwillinge
auf.
Verschluckt wurde er.
Es gab ihn nicht mehr. Die anderen Mächte, die er verlassen hatte, die hatten ihn auch wieder zu sich geholt, jedoch in einer völlig fremden Form.
Bevor er endgültig aus meinem Blickfeld entschwand, sah ich noch, wie er die Arme ausbreitete, als wollte er die Querbalken des Kreuzes imitieren.
Das Licht verlosch. Es zog sich zurück, allmählich nur, als wäre es dabei, auf uns Rücksicht zu nehmen. Ich betrachtete die vier Gestalten der Engel.
Auch sie lösten sich auf.
Über meine Lippen aber legte sich ein Lächeln. Ich dachte an Michael, Gabriel, Raphael und auch an Uriel. Sie hatten mir wieder einmal bewiesen, daß mit ihnen zu rechnen war, und plötzlich verspürte ich die Lust, laut zu lachen. Es war nicht möglich, noch schmerzte meine Brust zu stark. Ich spürte wieder den Druck auf den Knien und stellte erst jetzt fest, daß ich noch immer den Boden berührte.
Dann kam jemand zu mir.
Suko zerrte mich hoch. »Ich denke, du solltest dich mal hinsetzen, Alter.«
Er drückte mich in den Sitz, wo ich dann auch meine Brust abtastete, um zu fühlen, ob ich mir nichts gebrochen hatte. Es schien alles in Ordnung zu sein, abgesehen von kleineren Prellungen.
Dann schloß ich die Augen. Ich war einfach müde. Aber ich schlief nicht ein. Nun überließ ich gewisse Dinge den anderen, ich wollte erst mal meine Ruhe haben…
***
Suko erledigte viel. Er sprach auch mit Gerald Gross und Jason Bryant. Der Abfahrt des Zuges stand nichts mehr im Wege, wobei der Wagen, in dem sich alles abgespielt hatte, außerhalb der Fähre abgekoppelt wurde, denn mit einer zerstörten Scheibe sollte er nicht fahren.
Alle Reisenden waren umgestiegen. Bis London war es nicht weit. Da konnte man diese kleine Unbequemlichkeit schon einmal in Kauf nehmen. Suko, der Abbé und auch Gerald Gross wollten mit mir reden. Besonders der Kollege aus Dover hatte viele Fragen, die ich ihm nicht beantworten wollte.
Ich erklärte mich in wenigen Sätzen und machte ihm klar, daß der Fall für ihn beendet war.
Gross wollte nicht. Er stand vor mir und stemmte seine Arme in die Hüften. »Aber der Killer ist…«
»Es gibt ihn nicht mehr. Begreifen Sie das!«
»Dann zeigen Sie mir seine Leiche!«
»Die gibt es ebenfalls nicht.«
Gross fing an zu lachen. »Wollen Sie behaupten, daß er sich in Luft aufgelöst hat?«
Ich hatte noch immer unter dem Schlag gegen die Brust zu leiden, fühlte mich etwas müde und kaputt. Vor allen Dingen wollte ich nicht länger mit diesem Kollegen diskutieren. »Ja, Sie haben recht. Er hat sich in Luft aufgelöst. Nehmen Sie es bitte hin, Kollege.«
»Das gibt es nicht, Sinclair.«
Suko mischte sich ein. »Doch, Mr. Gross. So etwas gibt es. Man darf nur nicht darüber nachdenken und auch keine Erklärungen verlangen. Das ist alles.«
Er nickte. »Alles - wie?«
»Ja, so ist das nun mal.«
»Hören Sie auf, Inspektor. Ich werde mich an Ihren Vorgesetzten wenden und dort eine Beschwerde einlegen. So hat mich noch niemand behandelt. Ich habe eine völlig zerschmetterte Leiche von der Fähre wegschaffen müssen, das ist eine Tatsache, daran kann ich mich halten, aber nicht an Ihre komischen Erklärungen.« Er war so wütend, daß er uns tatsächlich den Gefallen tat und verschwand.
Suko grinste schief hinter ihm her. »Was hätten wir ihm denn sagen sollen, John?«
»Nichts, gar nichts«, murmelte sich. »Es ist vorbei, kaum daß es begonnen hat.« Ich mußte selbst lachen. »Komisch. Eine Begegnung reichte aus, und schon sind wir das Problem des abtrünnigen Engels Josephiel los. Eigentlich müßte ich zufrieden sein, aber ich frage mich, warum ich es trotzdem nicht bin.«
»Das kann ich dir sagen«, meinte Suko.
»Dann tu es.«
»Wir wissen zuwenig, so muß es sein. Wir wissen einfach zuwenig über diesen Fall. Uns ist nicht bekannt, wo Josephiel hergekommen ist, wir wissen auch nicht, wie er entstand und was er hier noch alles hinterlassen hat.«
»Tote«, sagte Suko.
»Stimmt. Er hat diejenigen umgebracht, die sich daranmachten, hinter sein Geheimnis zu kommen. Er war brutal und radikal, aber ich frage mich, ob das alles gewesen ist.«
»Reicht das denn nicht?«
»Mir nicht, Suko.«
»Was macht dich denn so nachdenklich?«
»Ich habe keine Ahnung. Trotz aller Schwierigkeiten ist es mir einfach zu glatt über die Bühne gegangen. Das will ich nicht akzeptieren, verstehst du?«
»Im Moment noch nicht.«
Bevor ich etwas hinzufügen konnte, mischte sich der Abbé ein.
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