0863 - Auf den Schwingen des Todes
neuen Fernseher kann ich mir jetzt abschminken. Meinen lieben Herr Sohn brauche ich erst gar nicht anzubetteln, diesen Geizhals. Warum hält das Schicksal nicht auch mal was Schönes für mich bereit? Eine so gute Stelle wie bei Solomon Winghart bekomme ich garantiert nicht wieder…
Kim Curtis schüttelte betrübt den Kopf, während sie in den Keller hinunterstieg. Ja, sie hatte ihre Arbeit als Zugehfrau bei Solomon Winghart geliebt und immer darauf geachtet, dass alles sauber und aufgeräumt aussah. So, wie sie selbst eben auch war. Deswegen hasste die Frau das Gerümpel im ersten Kellerraum noch mehr als die Läuse auf ihren Zimmerpflanzen. Aber Mister Winghart hatte es ihr untersagt, hier Ordnung zu machen. In allen anderen Räumen hatte er ihr dagegen freie Hand gelassen.
Nun, wer immer das Haus hier übernehmen würde, er sollte es sauber antreffen. Dafür würde sie schon sorgen. Zuerst musste sie die liegen gebliebene Wäsche im zweiten Kellerraum versorgen, danach würde sie sich zum ersten und einzigen Mal über eine Anweisung Mister Wingharts - hoffentlich weilte er bereits bei den Engeln im Paradies - hinwegsetzen und den ersten Kellerraum aufräumen. Dieses Chaos wollte sie niemandem zumuten. Zudem duldete sie es nicht, dass auch nur der Schatten eines Zweifels auf ihre Gewissenhaftigkeit fallen könnte. Wer immer auch dieses Haus erbte, würde in erster Linie sie für das Durcheinander im ersten Keller verantwortlich machen. Denn wer wusste schon von Mister Wingharts diesbezüglicher Anweisung?
Mrs. Curtis band sich die blütenweiße Schürze um und bügelte die Wäsche. Sie war gerade mit Mister Wingharts schwarzem Lieblingshemd beschäftigt, als sie jemanden rufen hörte: »Ist… ist da jemand?«
Die Zugehfrau erschrak bis ins Mark. Die Stimme brach sich an den Wänden, sie konnte nicht erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Wer kam da? Ein Einbrecher? Oder schon der Erbe?
Mrs. Curtis beschloss, erst mal abzuwarten und bei Bedarf ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Sie krampfte ihre Faust ums Bügeleisen, wild entschlossen, einen Einbrecher damit in die Flucht zu schlagen. Aber auch die Ankunft des Erben sah sie nicht wirklich als bessere Alternative an. Denn der konnte ihre Anwesenheit hier nur allzu leicht missverstehen und sie als Einbrecherin einstufen. Es war beileibe nicht sicher, ob er ihre Motive richtig verstehen würde. Also war es am besten, sie verhielt sich ruhig und hoffte, nicht entdeckt zu werden, von wem auch immer.
Die Frau lauschte angestrengt. Da, kamen die Schritte nicht die steile Holztreppe herunter? Ja. Mrs. Curtis spannte sich unwillkürlich. Ein entschlossener Zug grub sich in ihre Mundwinkel. Feigheit vor dem Feind hatte ihr noch nie jemand vorwerfen können.
Plötzlich versteifte sich die Frau. Mit ihren sensiblen Sinnen spürte sie die unendlich böse Aura, die plötzlich furchtbare Angstgefühle in ihr weckte.
Etwas war angekommen.
Ein leises Zischen verstärkte Mrs. Curtis' Angstgefühle beträchtlich, eine Frauenstimme stammelte gleich darauf: »Wer… wer bist du?«
Dann ging es rund. Kim Curtis hörte die Frau schrill und durchdringend schreien. Sie hätte nicht für möglich gehalten, dass Menschen so schreien konnten. Tiere in Todesnot, ja. Aber doch nicht Menschen…
Die Zugehfrau wusste, dass hier gerade jemand umgebracht wurde und dass sie helfen musste. Sie überwand ihren Fluchtreflex und ging zum Durchgang, das Bügeleisen halb zum Schlag erhoben. Dort blieb sie stehen, als sei sie gegen eine Wand gelaufen. Ihre Finger öffneten sich. Das Bügeleisen polterte zu Boden, während unartikulierte Laute aus ihrer Kehle stiegen. Die neu aufgeflammte Furcht der Mrs. Curtis wandelte sich in nackte Panik.
O Lord, lass das bitte nicht wahr sein. Was… was ist das?
Kim Curtis blickte auf das Halbprofil eines riesenhaften, tief schwarzen Wesens, das entfernt an einen Menschen erinnerte. Es besaß menschliche Formen, aber eben auch zwei riesenhafte Schwingen, die mehr als doppelt so groß wie der Körper waren und die das Wesen im Moment wie ein Dach über sich breitete. Sie nahmen fast den kompletten Keller ein und stießen an der Decke an. Seltsamerweise bildeten die Schwingen die Verlängerung der in den Schultergelenken sitzenden Arme. Dafür verfügte der Schwarze über zwei kleinere, fast zarte Gliedmaßen, die aus dem seitlichen Brustkorb hervorwuchsen und in siebengliedrigen Krallen endeten.
Mit dem rechten Arm hob er
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