0866 - Rattennacht
Gemeinde machen, die mit einer Kirchengemeinde nichts zu tun hat.«
»Hört sich nicht schlecht an.«
Ich reichte ihm die Hand. »Die Einladung steht.«
»Ist okay.«
»Wann?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Ich muß mich erst um meine Gemeinde kümmern und sie aufbauen. Du weißt selbst, daß ich neu bin. Da müssen erst vertrauensbildende Maßnahmen geschaffen werden, bis ich voll akzeptiert werde.«
»Es liegt an dir.«
»Und an deinem Terminplan, John, denn ich habe gehört, daß du im Streß bist.«
»Ich werde da schon eine Lücke finden. Haben Suko und Shao auch, von denen ich dir erzählte. Sie sind ins Flugzeug gestiegen, um eine Woche Urlaub in Paris zu machen.«
»Das ist nicht schlecht.«
»Finde ich auch.«
Wir hatten uns an die Umgebung gewöhnt und auch an den uns umgebenden Stimmenwirrwarr.
Eine Durchsage fiel kaum auf. Gerade noch nahm ich wahr, wie die Stimme aus dem Lautsprecher nach einem gewissen John Sinclair rief.
Die Durchsage wurde wiederholt. Diesmal gab es keinen Zweifel, man meinte mich.
Ich mußte zur Information, entschuldigte mich bei Dorani, eilte zum Ziel, wo ich bereits ein Telex vorfand, das mir eine lächelnde Dame reichte.
»Signore Sinclair?«
»Das bin ich.«
»Für Sie, bitte, wenn Sie sich ausgewiesen haben.«
Ich tat es und las das Telex. Sir James hatte es geschickt, und wie es so aussah, mußte ich umbuchen nach Paris, wo sich Shao und Suko mal wieder in leichte Schwierigkeiten hineingeritten hatten.
Ich kehrte nicht mehr zu Dorani zurück, sondern erkundigte mich am Schalter der Alitalia nach dem nächsten Flug in die Seine-Metropole. Er ging in zwei Stunden. Es war noch ein Platz frei für mich, und so buchte ich ihn.
Dorani wartete auf mich. Ich hatte mich noch nicht gesetzt, als er sagte: »Haben wir nicht von einem Streß geredet?«
»Ja, haben wir.«
»Und der hat dich erwischt.«
»So ist es. Ich muß nach Paris.«
»Aber nicht, um Urlaub zu machen.«
»Leider nein«, sagte ich und fragte mich, was da wohl auf mich wartete…
***
Die Bibliothek gehörte zu den ehrwürdigen Gebäuden. Sie war mehr mit einer Kirche zu vergleichen, denn hinter den Mauern herrschte die gleiche Kühle wie in einem Dom.
Suko und Shao waren die breite Treppe hochgeschritten, sie hatten sich durch das ebenfalls breite Portal geschoben, hatten über die hohe Decke gestaunt und waren nach einer kurzen Orientierung in einem Raum verschwunden, der so etwas wie ein breites Vorzimmer mit einem breiten Tresen darstellte. Hinter diesem Tresen saß eine Frau, die aussah, als würde sie sich für etwas Besonderes halten, eben weil sie an dieser exponierten Stelle tätig war und es einer Gnade gleichkam, wenn sie sich um Besucher kümmerte.
Sie ließ sich entsprechend Zeit, beendete ihre Arbeit am Computer und drehte sich auf dem Stuhl.
Die weiße Bluse, der züchtige Rock, diese Person gab sich durch ihr Äußeres streng. Sie räusperte sich. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wir suchen ein Buch«, sagte Shao.
»Das hatte ich mir gedacht«, erwiderte die Tante spitz. »Sie sind Ausländer, nicht wahr?«
»Ja, spielt das eine Rolle?«
»Sehr wohl, denn als Ausländer dürfen sie unsere Bücher nicht mitnehmen. Man weiß nie, wo Sie zu finden sind und wie lange sie sich noch im Lande aufhalten.«
Es ging hin und her, die Tante hatte Zeit, und schließlich durften Shao und Suko doch durch eine hohe Tür treten, um in das Allerheiligste zu gelangen.
Sie staunte. Ehrfurcht war das Gebot der Stunde. Eine hohe Halle in zwei Etagen unterteilt, denn es gab noch einen Wandelgang in halber Höhe, war vollgestopft mit Büchern, die dicht an dicht in den Regalen standen. In der Mitte des Raumes existierte eine Insel mit Bänken und Tischen, auf die sich die Besucher zum Lesen zurückziehen.
Die Bebrillte hatte den beiden genau erklärt, wo sie suchen sollten. Die Bücher waren nicht alle ins Französische übersetzt. Es gab viele Originalausgaben, und darüber freuten sich die Besucher. Beide wollten nur mehr über den Namen Absalom erfahren. Und da konnten sie unter verschiedenen Schriften auswählen. Shao fand ein Buch, das sie sich aus dem Regal holte.
»Hier müßten wir etwas finden«, murmelte sie und drehte das Buch herum, damit auch Suko den Titel lesen konnte.
»Die Geschichte der alten Juden.« Er nickte. »Ich denke, du hast den richtigen Griff getan.«
Sie schauten im Index nach und schlugen die entsprechende Seite auf, wo sie auf den Namen Absalom stießen. Suko
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