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0867 - Emily

0867 - Emily

Titel: 0867 - Emily Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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zu zeichnen.«
    Ich wäre nicht überrascht gewesen, hätten Suko und auch Shao geschrieen, aber sie sagten nichts.
    Sie saßen nur stumm auf ihren Plätzen und kamen mir vor wie angeleimt.
    Shao hatte den Griff um Sukos Hand gelockert und flüsterte: »Lieber Himmel, sie hat mich gezeichnet? Wirklich mich?«
    »Ja, so ist es. Ich habe dein Gesicht gesehen. Ich sah den Ansatz der Schultern und die Striche, die weitergezogen waren, bis sie fast die Hüfte erreichten. So und nicht anders ist es gewesen, Shao. Es… es tut mir leid.«
    »Das braucht es dir nicht, John«, flüsterte sie. »Nein, nichts braucht dir leid zu tun. Ich weiß nun, daß ich diese Zeichnung auch gespürt habe, wenn auch auf eine andere Art und Weise. Aber die nächste Frage stellt sich automatisch. Woher wußte diese Emily, wen sie zeichnete und wie ich aussah? Woher wußte sie das?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Suko.
    Und ich konnte ihm nur zustimmen.
    Shao schüttelte den Kopf. »Sie wird mich nicht allein nur gekannt haben. Wenn ich ihr bekannt war, dann muß sie euch ebenfalls gesehen haben. Irgendwo…«
    »Auf dem Friedhof«, sagte Suko. »Sie hat uns nicht richtig gesehen, sie hat uns gespürt. Sie hat eine Botschaft bekommen, als Absalom starb. Er hat doch den Namen Emily ausgesprochen. Vielleicht ist es ihm gelungen, seine Eindrücke, also unsere Gestalten, visuell an Emily weiterzuleiten. So hat sie dann genaue Informationen über die Menschen bekommen, die sie später besucht haben.« Er schaute mich an. »Ist das zu weit hergeholt?«
    »Nein, es ist zumindest eine der Möglichkeiten.«
    »Und eine andere?«
    »Ich weiß sie nicht - sorry.«
    »Also bleiben wir auf der Schiene.«
    »Ich denke schon.«
    Shao hatte bisher geschwiegen. Jetzt öffnete sie den Mund und flüsterte ihre Worte. »Ich habe wieder Angst, ob ihr es glaubt oder nicht. Ich habe Furcht, es ist schlimm. Sie ist plötzlich wieder da. Es braut sich etwas über meinem Kopf zusammen. Das ist wie ein gewaltiger Schatten, gegen den ich nicht ankämpfen kann. Der Druck in mir stieg auch wieder. Ich habe das Gefühl, als würde etwas geschehen.« Auch Unruhe hielt sie erfaßt, denn sie rutschte auf der Bank hin und her.
    »Kannst du dir denn einen Grund vorstellen?«
    Shao lehnte ihren Kopf gegen Sukos Schulter. »Nein, denn Emily ist nicht in der Nähe, aber sie spielt mit mir. Sie genießt es. Ich spüre, daß sie voller Haß steckt.«
    »Sie malt«, sagte ich.
    »Bitte?«
    »Sie malt, Suko, das ist es. Emily malt ihr Bild weiter, und sie hat es geschafft, eine Verbindung zu Shao herzustellen. Ich weiß nicht, was nun passiert, aber wir sind zu weit weg, um hinzulaufen und sie zu stören. Das muß Shao durchstehen.«
    »Nein, John! Schau sie dir an…«
    Suko hatte recht. Shao sackte plötzlich zusammen. Sie fiel nach vorn und zur Seite. Ihr Mund stand weit offen. Röchelnde Laute drangen hervor. Es hörte sich an, als würde sie ersticken. Dann drehte sie den Kopf so, daß er mit der Rückseite auf Sukos Knien lag und sie in unsere Gesichter schauen konnte. »Sie raubt mir was… sie nimmt mir die Kraft. Sie will…«
    Was diese Emily noch wollte, konnte Shao nicht mehr sagen. Nach einem letzten Stöhnlaut sackte sie zusammen - und wurde starr…
    ***
    Kichern - Lachen… Speichel, der auf den Lippen klebte und dazwischen dieses schrille Geräusch in ihrem Kopf.
    Schnipp… schnipp… schnipp…
    Aber sie malte.
    Und sie malte gut.
    Der Stift in ihrer rechten Hand schien ein Eigenleben zu führen, so glatt und sicher glitt er über das Papier.
    Ich bin so gut, dachte Emily und sorgte dafür, daß die Umrisse und Striche an manchen Stellen dicker, an anderen wieder dünner wurden. Das alles gelang ihr ausgezeichnet, und zuletzt gab sie den Beinen noch den nötigen Schwung, bevor sie die Schuhe originalgetreu zeichnete.
    Dann setzte sie den Stift ab, lächelte, betrachtete ihr Werk und runzelte die Stirn.
    Im Gesicht gefiel ihr noch einiges nicht. Auf eine gewisse Distanz hin schaute sie es sich an, suchte den Fehler, wiegte einige Male den Kopf und nickte.
    Ja, jetzt hatte sie den Fehler entdeckt. Die Bögen der Augenbrauen waren ihr etwas zu steif geraten.
    Sie mußte sie weicher und fließender zeichnen, so kamen sie näher an das Original heran.
    Danach konnte sie echt zufrieden sein. Auf ihrem Stuhl lehnte sie sich zurück, das Ausatmen glich einem Schnaufen. Sie schloß die Augen. Bilder erschienen in blitzschneller Reihenfolge. Allerdings ungewöhnlich verzerrt,

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