087 - Der sentimentale Mr. Simpson
Dorothy sanft.
Er war wütend. Er sagte es ihr auch. Sie hätte es sonst gar nicht bemerkt.
»Ich bin wirklich sehr zornig! Nur weil ein Mädchen arm ist ... Ich bedauere es außerordentlich, daß ich mit dir über meine Pläne gesprochen habe ...«
Sie lächelte, zündete sich eine Zigarette an und stand auf.
»Armer Paps«, sagte sie und wedelte mit der Hand den Rauch vom Gesicht, »hättest du mich auch eingeweiht, wenn du nicht eine Erklärung dafür finden müßtest, wie der lieben Elsa eine große Smaragdbrosche abhanden kam - Mutters Brosche? Du hast dich eben irgendwie aus der Schlinge ziehen müssen -«
»Ich sehe keinen Grund -«, begann er mit sonorer Heftigkeit.
Sie winkte ab. »Es stand schließlich in allen Zeitungen. Als ich las, daß Elsa eine Smaragdbrosche verloren hatte, wurde ich sofort mißtrauisch. Die Fotos bestätigten meine Ahnungen. Du hast so viel Geld, Paps, daß du ihr einen ganzen Sack voll Smaragde kaufen könntest. Es war wirklich lieblos, ausgerechnet dieses Andenken an Mutter zu verschenken. So, nun weißt du's.« Sie stäubte Asche in das Kaminfeuer. »Übrigens finde ich Elsas Vorsicht, die Brosche sofort nach Empfang versichern zu lassen, äußerst bemerkenswert.«
»Du gehst zu weit«, sagte ihr Vater heiser.
»Zumindest bis zum Portland Place, wenn diese alberne Heirat wirklich stattfindet. Vielleicht ziehe ich auch in die Welt hinaus und unternehme etwas ganz Romantisches, indem ich mir zum Beispiel meinen Lebensunterhalt selbst verdiene.«
In diesem Augenblick betrat John Venner das Zimmer. Er war gleichzeitig mit Elsa eingetroffen.
Miss Burkes war groß und von fülligen Proportionen, rothaarig und blauäugig.
»Dieses Weib geht mir auf die Nerven«, sagte Dorothy bissig.
Sie unterhielt sich mit John Venner, der stets und überall Nachsicht walten ließ. Nichts ärgerte eine Frau jedoch so sehr, wie unangebrachte Nachsicht. Und wo könnte sie weniger am Platz sein als in Verteidigung einer anderen Frau?
John diente in der Garde, ein netter junger Mann, der so viel Geld hatte, daß jede Ehe von vornherein zum Scheitern verurteilt schien.
»Ich glaube, Sie sind Elsa gegenüber ein bißchen unfair«, meinte er.
Mit Gewalt erinnerte sich Dorothy daran, daß sie eine Dame war.
Elsa hatte ähnliche Ansichten. Sie bat ihre zukünftige Stieftochter, sich mit ihr im Schlafzimmer einmal gründlich auszusprechen. Dorothy unterdrückte den Wunsch, als Treffpunkt die Besenkammer vorzuschlagen.
»Denn sieh mal, Liebste« - Elsa setzte sich aufs Bett und bewunderte ihre eigenen hübschen Beine -, »ich muß einfach erreichen, daß du mich verstehst! Ich weiß, du magst mich nicht, und ich habe zu Clarence gesagt -«
»Wer um Himmels willen ist denn Clarence?« erkundigte sich Dorothy bestürzt.
»Dein lieber Pappi«, säuselte Elsa.
»Du meine Güte!« rief Dorothy entsetzt. »Darauf war ich nie gekommen! Na schön, du hast also zu Clarence gesagt -«
Elsa schluckte etwas hinunter. »Ich habe zu deinem lieben Vater gesagt, er könne von dir nicht erwarten, daß du . nun ja .«
»Daß ich einen Freudentanz aufführte?« meinte Dorothy.
»Ich würde es nicht in dieser Weise ausdrücken«, protestierte Elsa. »Ich hoffe, daß wir beide gute Freunde werden. Willst du nicht einmal mit deinem Vater zu uns zum Abendessen kommen? Er ist ja ein so lieber Mensch .«
Und so fort.
Dorothy hörte zu und machte sich ihre eigenen Gedanken, als Elsa von dem furchtbaren Schock berichtete, den ihr das Verschwinden der Brosche versetzt habe. Die Leute von der Versicherung seien ja geradezu bezaubernd gewesen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Dorothy noch nicht die Absicht, Elsas Einladung Folge zu leisten. Zwei Tage später jedoch tauchte sie ohne Anmeldung in Elscombe Crescent auf. Elsa war nicht zu Hause, dafür aber ihr Vater.
»Aber gewisch«, murmelte Mr. Burke mit schwerer Zunge. »Führen Ssie ssie 'rein ... Wer ssoll das ssein?«
Beim Essen hatte er die zu erwartende Wohlhabenheit seiner Familie gebührend begossen. Irgendwie spürte er, daß jemand das Zimmer betreten hatte, aber seine Lider waren einfach zu schwer.
»Elsa, mein Mädel«, brummte er, »man muß immer zugreifen, wenn ssich eine Ge.. Gelegenheit bietet.«
Er sagte noch andere Dinge, und Dorothy hörte regungslos zu, bis Mr. Burkes zu schnarchen begann.
2
Einbrecherbanden, die Wert auf Stil legen, halten ihre Zusammenkünfte nicht in dunklen Kellern mit verhängten Fenstern und Geheimgängen ab; sie besprechen
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