087 - Der sentimentale Mr. Simpson
und schloß gequält die Augen.
»Sie ist auch eine. Ich hab' mich mit dem Zimmermädchen angefreundet, das dort saubermacht, und was meinst du, habe ich gefunden?«
Tom schüttelte den Kopf. Slip suchte in seinen Taschen und holte eine Reihe von Papierfetzen hervor, die er kunstvoll zur einen Hälfte eines Briefbogens zusammenfügte.
Mr. Burkes kramte mühsam seinen Zwicker hervor, klemmte ihn auf die Nase, öffnete den Mund, wie das bei derartigen Gelegenheiten seine Gewohnheit war, und begann zu lesen:
»Schicken Sie die Brosche zurück, dann unterbleiben weitere Maßnahmen ...«
»Auf gutem Briefpapier geschrieben«, meinte Mr. Burkes, der von solchen Dingen etwas verstand. »Von einer Frau - sie muß Dienstmädchen oder so etwas sein. Deshalb hast du sie für eine Dame gehalten.«
Slip gab sich noch nicht geschlagen. Er argumentierte mit großer Beredsamkeit, und schließlich ließ sich Tom überzeugen. Die Annäherung war sicherlich mit Schwierigkeiten verbunden, aber Slip, ein Mann voll Takt und Einfällen, glaubte alle Hindernisse spielend nehmen zu können.
Miss Mary Smith war nicht so ohne weiteres einzuspannen. Seit sie ein gewisses Schmuckstück von Elsa Burkes' Frisiertisch genommen hatte, lebte sie sehr zurückgezogen. Sie hatte ihre Anschrift so oft wie den Namen gewechselt, einmal sogar mit erstaunlicher Schnelligkeit, als Elsa sie aufgespürt und versprochen hatte, gegen Rückgabe der großen grünen Brosche alles vergessen zu wollen. Unglücklicherweise bot sie nicht das von Mary Verlangte.
Es konnte sehr peinlich werden, dachte Mary Smith, als sie auf ihrem Bett in einem Zimmer in Bloomsbury saß, wenn Elsa wirklich die Polizei verständigte; wie sollte Elsa andererseits aber gewisse Dinge erklären ...?
Es klopfte. »Ja?« rief Mary Smith herrisch.
Das Zimmermädchen trat ein.
»Ein Herr möchte Sie einen Moment sprechen.«
Sie überreichte eine Karte.
Mary las und blieb unbeeindruckt:
Mr. FEATHERLOW-MORGAN
Aufsichtsrat Neu-Amsterdam.
Mr. Morgans eigentlicher Beruf blieb im dunkeln, aber Mary zog es vor, darüber hinwegzusehen. Sie begab sich nach unten in den Gesellschaftsraum.
Mr. Morgan verstand etwas von Frauen. Langes Herumreden führte bei ihnen stets zu Mißerfolg. Er vertraute der direkten oder K.-o.-Methode.
»Guten Abend, Miss«, begrüßte er Mary respektvoll.
»Ich hätte Sie gerne ein paar Minuten gesprochen.«
Sie wartete.
»Ich mache nie Umschweife -« Slip konnte es sich nicht leisten, Zeit zu verlieren. »Haben Sie schon von Miss Burkes gehört? Ich wette, nein. Ich wette, Sie kennen sie gar nicht!«
»Sie haben Ihre Wette gewonnen«, erwiderte Mary Smith ruhig. »Das macht Spaß, wie?«
Eine solche Antwort hatte Mr. Morgan nicht erwartet. Glücklicherweise konnte er seine Verwirrung überspielen. Er kramte in einer Innentasche, zog ein rotes Lederetui heraus und öffnete es.
Zwischen Visitenkarten mancherlei Art steckte ein Zeitungsausschnitt, den er ergriff und mit dem er Mary Smith vor der Nase herumwedelte.
»Lesen Sie das!« befahl er. Mary nahm den Zettel und runzelte die Stirn. Sie begann vorzulesen:
›... zu jedem Anzug eine zweite Hose mit garantiert langer Haltbarkeit .. .‹ »Das ist doch die falsche Seite«, korrigierte Slip gereizt. Sie drehte das Blatt herum.
›Die Polizei forscht nach einer Smaragdbrosche, die vermutlich von Fassadenkletterern vergangene Woche aus Miss Elsa Burkes' Schlafzimmer entwendet wurde. Das Schmuckstück wird wie folgt beschrieben ... Die Brosche hat einen Schätzwert von dreitausend Pfund, und die betroffene Versicherungsgesellschaft setzt für die Wiederbeschaffung eine Belohnung von zweihundert Pfund aus. Miss Burkes, die mit Colonel Poynting, dem bekannten Reeder, verlobt ist, erklärte, daß das Schmuckstück zwar versichert sei, aber einen unschätzbaren Erinnerungswert besitze.‹
Sie gab den Ausschnitt zurück.
»Die Sentimentalität ist der Ruin vornehmer Kreise«, meinte sie, und er lachte bewundernd, sah sich aber einem plötzlichen Hustenanfall ausgesetzt.
»Das nenn' ich eine vernünftige Anschauung. Kennen Sie übrigens Colonel Poynting?« Sie zögerte etwas, nickte dann aber. »Kennen Sie sein Haus in der Park Lane? Sind Sie schon einmal dort gewesen?«
»Ich kenne das Haus sehr gut«, erwiderte sie und sah ihn fragend an.
»Ich bin ein einfacher Mann -«, begann er. Auf ihr allzu bereitwilliges Nicken hin verlor er beinahe den Faden. »Ich meine damit, daß es keinen Sinn hat, wie eine Katze
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