0875 - Die Rückkehr des Jägers
hätten ihn nur von seinem Ziel abgelenkt.
Vor ihm lagen unzählige Bücher und Dokumente auf dem Schreibtisch, die alle behaupteten, die letzten Geheimnisse der Hölle zu enthüllen. Die meisten Texte waren das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt waren. Haltlose Theorien von selbst ernannten Experten, die das Feuer der Hölle nie am eigenen Leib gespürt hatten. Doch Gautard hütete sich vor allzu schnellen Urteilen. Zumindest ein paar der düsteren Propheten, Schwarzkünstler und Parapsychologen, deren Werke er seit Jahrzehnten wie ein Besessener aus den Antiquariaten und Archiven der ganzen Welt herbeischaffen ließ, schienen verblüffend detaillierte Kenntnisse über die Schwefelklüfte zu haben, obwohl sie nur selten die Quelle ihres Wissens preisgaben.
Wissen ist Macht, niemand wusste das besser als Paul Gautard. Jedes Detail, das er aus diesen Schriften ziehen konnte, würde ihm bei seinem finalen Schlag gegen Stygia helfen.
Ein Autor hatte es ihm besonders angetan. »Die Innenpolitik der Hölle« hieß das schmale Bändchen, das ganz oben auf dem Stapel lag. Der Verfasser war von seinen eigenen Kollegen so heftig angegriffen worden, als hätte er behauptet, die Erde sei eine Scheibe. Und das nicht ohne Grund, denn was er dort über die Hierarchie und die internen Machtkämpfe der Hölle enthüllte, war so unglaublich, dass es sich nur ein Irrer ausgedacht haben konnte. Oder jemand, der das, worüber er schrieb, aus eigener Erfahrung kannte.
Der Name des Autors war Professor Zamorra.
Paul Gautard hatte lange überlegt, ob er den Parapsychologen direkt kontaktieren sollte, sich dann aber dagegen entschieden. Zamorra galt als entschlossene, aber auch sehr umsichtige Persönlichkeit. Er würde sich bestimmt nicht so leicht manipulieren lassen wie Jean Fournier, dem sein übergroßes Ego den-Verstand vernebelte.
Wenn man vom Teufel spricht , meldete sich eine vertraute innere Stimme zu Wort.
Was meinst du?
Du bekommst Besuch.
Gautard glaubte, noch ein leises Kichern zu hören, war sich aber nicht ganz sicher. Im selben Moment sprang die Tür zum Arbeitszimmer auf, und ein aufgebrachter Jean Fournier stürzte herein. Hinter ihm erschien der aufgeregt mit den Armen rudernde Hausdiener.
»Sie sind ein verfluchter Drecksack, Gautard!«, schrie Fournier.
»Es tut mir leid, Monsieur, er wollte sich nicht aufhalten lassen.«
Gautard betätigte die Steuerung seines elektrischen Rollstuhls, fuhr vom Schreibtisch zurück und wandte sich dem TV-Star zu.
»Schon gut, Christophe. Der Herr ist mein Gast.«
Verstört starrte der Diener den ungebetenen Besucher an und nickte dann indigniert. »Sehr wohl, Monsieur.«
Unauffällig wie ein Geist zog sich der Hausdiener zurück und schloss dabei lautlos die Tür.
Er ist sehr wütend.
Was du nicht sagst.
Sein Geist ist stark und widerspenstig. In diesem Zustand kann ich ihn kaum unter Kontrolle halten.
Gib dir Mühe. Davon hängt alles ab.
»Wir müssen reden, Paul«, sagte Fournier. Es war kein Wunder, dass sein Anblick den Diener zu Tode erschreckt hatte. Die Kleidung des Jägers war völlig zerrissen und verschmutzt. Die Brust bedeckte ein notdürftiger, blutgetränkter Verband. Doch das schien den TV-Star nicht weiter zu stören. Lässig zauberte er aus einer Tasche seines zerfetzten Mantels einen Zigarillo und ein Feuerzeug hervor.
»Ich muss schon sagen, Monsieur Fournier, ein Hollywoodreifer Auftritt.«
»Dafür bin ich doch bekannt, oder?«
»Allerdings. Übrigens, hier ist Rauchverbot.«
»Was Sie nicht sagen.« Ungerührt zündete Fournier den Zigarillo an, nahm einen tiefen Zug und stieß eine dicke Rauchwolke aus.
Er ist unverschämt. Soll ich ihn fressen?
Untersteh dich. Wir brauchen ihn noch.
Schade. Es wäre mir ein wirkliches Vergnügen.
Vielleicht bekommst du deine Chance später.
Es wäre ein Festschmaus.
»Also, was verschafft mir die Ehre Ihres späten Besuchs?«
»Ich hatte gerade ein unerfreuliches Zusammentreffen mit einem ziemlich schlecht gelaunten Vertreter der Schwefelklüfte.«
»An so etwas sollten Sie doch gewöhnt sein.«
»In den letzten Jahren haben mir vor allem meine Gläubiger nach dem Leben getrachtet. Außerdem war dieser Bursche sehr viel mächtiger als das meiste andere schwarzblütige Gesocks, das mir bisher ans Leder wollte. Und er gehörte ganz sicher nicht zu Berakaas Gefolge. Er wollte sich nicht an mir rächen, sondern mich an etwas hindern, das ich noch gar nicht getan habe. Und das bringt mich doch zu
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