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0875 - Medusas Tochter

0875 - Medusas Tochter

Titel: 0875 - Medusas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Auch ich konnte nicht wie ein brünstiger Hirsch in die entsprechende Richtung laufen, ich mußte achtgeben, daß man mich nicht hörte.
    In der rechten Jackentasche steckte zum Glück Sukos Rasierspiegel. Wenn es hart auf hart kam, konnte ich mich nur mit ihm gegen die verfluchte Medusa behaupten.
    Ich erreichte in dem Wald eine Mulde, in der zahlreiche Büsche, Farne und Gräser wuchsen. Dieser Wald sah tatsächlich so aus, als wäre er noch in Ordnung. Mit einiger Phantasie hätte ich ihn als Märchenwald ansehen können, allerdings als ein Gebiet, in dem sich nur die bösen und grausamen Märchen abspielten.
    Keine Stimmen.
    Weder von ihr noch von ihm.
    Und mir saß die Zeit im Nacken. Wer immer der unbekannte Mann auch sein mochte, er würde in die Falle der Medusa laufen, falls sie sich in diese Figur verwandelte.
    Auf dem Grund der breiten Mulde blieb ich stehen. Bis zum Waldende war es nicht mehr zu weit, aber meine Sicht war trotzdem schlechter, denn durch die hohen Büsche und auch den wachsenden Niederwald war das Blickfeld eingeschränkt.
    Meinen Atem hatte ich wieder unter Kontrolle bekommen. Es war sehr still in meiner Umgebung.
    Keine Stimmen.
    Auch keine anderen Geräusche, die auf ein Liebesspiel hingedeutet hätten.
    Ich drehte mich auf der Stelle, denn beide konnten irgendwo lauern und mich beobachten.
    Nichts war zu sehen.
    Bis ich das Rascheln hörte. Nicht sehr weit entfernt, aber schon über mir.
    Ein Tier - oder…
    Im nächsten Augenblick drang ein fürchterliches Geräusch an meine Ohren.
    Eine Mischung aus einem schweren Ächzen und Stöhnen, wie es eigentlich nur ein Sterbender abgeben konnte.
    Wo?
    Vor mir.
    Für mich gab es kein Halten mehr. Es war auch egal, ob ich gesehen wurde oder nicht. Meine Hoffnung bestand darin, vielleicht noch helfen zu können. Mit den Armen ruderte ich die störenden Zweige der weichen Büsche zur Seite, verschaffte mir so den nötigen Platz, kämpfte mich vor, trat auch in Pfützen und entdeckte durch eine Lücke hinweg die männliche Gestalt auf dem Boden.
    Ich hörte das Ächzen! Ich sah die seltsame Bewegung eines Mannes, der auf einem Stein saß, seinen Körper nach links kippte, dann wieder nach rechts, die Arme halb ausgestreckt hielt, wobei er es nicht mehr schaffte, sie anzuziehen, denn er wurde allmählich zu Stein.
    Ein noch junger Mann, dunkelhäutig, mit schwarzem Kraushaar. Das Gesicht war eine Maske des Grauens. In ihm bewegten sich nur die Augen, und diesen um Hilfe flehenden Ausdruck darin würde ich wohl niemals vergessen.
    Noch einmal bewegte sich der Mund, nun klappte der Unterkiefer nach unten. Dann war es vorbei!
    Er kippte nicht, er saß da und bewegte sich nicht mehr. Er war zu einer Figur geworden, zu einem dämonischen, steinernen Dokument, das von einer schrecklichen Person hinterlassen worden war.
    Ich trat dicht an ihn heran, doch bevor ich mich zu ihm hinabbeugte, schaute ich mich sehr genau um, weil ich nicht unbedingt damit rechnete, daß diese Medusa verschwunden war.
    Ich sah sie nicht.
    Meine rechte Hand berührte die Wange der Person.
    Da war keine Haut mehr zu spüren, sondern einzig und allein eine gewisse Härte. Die Härte von Stein.
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Wäre ich eine Minute früher hier aufgetaucht, hätte ich den Mann möglicherweise retten können. So aber stand ich vor ihm wie der große Verlierer und fühlte mich in meinem Innern selbst so kalt wie Stein.
    Die Medusa hatte sich wieder ein Opfer geholt. Ob der junge Mann zu den Schaustellern gehörte oder in einem der Dörfer gelebt hatte, wußte ich nicht. Im nachhinein war es auch nicht mehr wichtig. Er würde hier für alle Zeiten sitzen bleiben und nach und nach verwittern, falls man ihn nicht bestattete.
    Innerlich verfluchte ich diesen Tag. Dann versuchte ich noch einmal, dem Mann die Augen zu schließen.
    Es war nicht möglich. Auch seine Augenlider waren versteinert. Die magische Kraft der Medusa hatte ihn voll erwischt.
    Es gab für mich hier nichts mehr zu tun, aber ich nahm mir eines vor. Diese Medusa mußte gestellt werden, und zwar so schnell wie möglich.
    Und wieder hörte ich etwas.
    Das Geräusch war dünn, aber durchaus identifizierbar. Über mir, wo auch die Straße durch den Wald führte, war der Motor der Ente angelassen worden.
    Sie hatte es geschafft!
    Ich verschluckte den Fluch und machte mich auf den Rückweg.
    Der Versteinerte blieb zurück im Wald. Um ihn würde ich mich später kümmern oder ihn abholen

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