0883 - Mörderisch
Lampe. Die Musik dudelte nicht mehr. Statt dessen erzählte der Moderator einen Halloween-Witz.
Maggie umfaßte die Türkante. Ihre Lippen bewegten sich, doch sie sagte kein Wort.
Ein Ruck, die Tür war offen.
Auf der Stelle blieb Maggie stehen. Sie hatte es geahnt, beinahe auch gewußt, aber die Brutalität des Augenblicks versetzte sie in einen schockartigen Zustand.
Konnte ein Mensch soviel Blut verlieren?
Ihr Mann lag über der Arbeitsplatte. Mehr wollte sie gar nicht sehen. Ihre Hand fuhr hoch zum Mund, preßte sich gegen die Lippen, und die Wirtin machte kehrt.
Sie lief weg und kriegte dabei nicht einmal mit, daß sie denselben Weg wieder zurückging. Sie erreichte auch die Gaststube. Ihre Bewegungen, die auf der Flucht soldatisch exakt gewirkt hatten, schlafften nun ab, wurden müde. Die Füße schleiften über den Boden. Die Frau sah die Tische mit den Stühlen darauf, doch das alles verwandelte sich in einen rasenden Wirbel.
Endlich schrie sie.
Maggie schrie und schrie…
***
Nicht noch einmal bewußtlos werden! Nicht noch einmal außer Gefecht sein.
Dieser Gedanke quälte mich. Er hämmerte durch meinen Schädel. Er machte mich verrückt, und er sorgte zugleich dafür, daß meine Reflexe reagierten, denn anders konnte ich mir mein Herumwerfen nicht erklären. Es geschah noch in der Luft, und ich prallte mit der Seite zuerst auf den Boden, wobei ich sofort weiterfederte und mich um die eigene Achse rollen wollte, was mir allerdings nicht gelang, denn die verdammte Klaue hielt noch immer meinen Knöchel fest.
Dann kroch er unter dem Wagen hervor!
Ich lag auf dem Rücken, trat mit dem linken Bein auf, was den hünenhaften Mann nicht im geringsten beeindruckte, denn es war Sam Wilde, der sich versteckt gehalten hatte, und nicht der Killer.
Doch gab es einen Unterschied?
Aus meiner liegenden Haltung hervor schaute ich in das Gesicht des Schwarzen. Es hatte sich verändert, und zwar auf eine grausame Art und Weise für mich.
Es war zu einer widerlichen Fratze geworden, obwohl es sich nicht mal verzerrt hatte, doch aus den Zügen und aus den Augen leuchtete der blanke Wahnsinn hervor.
Ja, der Wahnsinn!
Sam Wilde würde nicht mehr normal reagieren. Er würde alles aus dem Weg räumen, was sich ihm entgegenstellte, und er knurrte mich an wie ein Tier. Ich wußte nicht was er durchgemacht hatte, es mußte ihn nur um den Verstand gebracht haben, und er brabbelte einige Worte vor sich hin, während er sich aufrichtete und mich dabei losgelassen hatte. Seinen Oberkörper beugte er nach vorn.
Wie ein gewaltiger Koloß stand er über mir, die Augen auf mich gerichtet, den Mund geöffnet, die Lippen bewegten sich, das Flüstern erreichte meine Ohren.
»Alles töten… nichts mehr sehen… Teufel… er… er… ist der Teufel!« stieß er hervor. »Alle sind Teufel, alle! Du auch, du auch!«
Sein Körper zuckte, und es war eine Bewegung, die mich alarmierte. Wer so reagierte, der stand dicht davor, sich auf seinen Gegner zu stürzen, und auch die sich öffnenden und schließenden Bewegungen seiner Hände sprachen davon.
Was sollte ich tun?
Es gab nur eine Möglichkeit, um ihn zu stoppen. Ich hatte meine Waffe gezogen, saß jetzt auf dem Gehsteig, schaute Sam Wilde an und sagte: »Tu es nicht!«
Er glotzte auf mich nieder. Das Weiße war in seinen Augen zu sehen. Dann wollte er springen.
»Heute ist Halloween… heute ist Halloween… die Nacht der Geister und Dämonen…«
Ich mußte mich schützen, wollte ich am Leben bleiben, deshalb schoß ich.
Der Knall des Schusses mischte sich in den Gesang, und das geweihte Silber hämmerte in den Körper des Schwarzen. Ich hatte auf den rechten Oberschenkel gezielt und ihn auch getroffen.
Sam kam nicht mehr dazu, mich mit seinem Gewicht zu erdrücken. Der Schlag riß ihm das rechte Bein weg. Er fiel nach hinten, sein Gesicht nahm eine eisige Starre an, dann dröhnte es auf, als er rücklings gegen den Transporter knallte.
Zwar gab ihm diese Wand eine Stütze, aber auf den Füßen konnte er sich nicht mehr halten. Er hatte sich nach rechts zur Seite gedrückt und beide Arme ausgestreckt. Die Hände lagen übereinander und eine Handfläche war auf die Schußwunde gepreßt.
In der Ferne sangen die Kinder ihre Halloween-Lieder. Für mich waren die Texte fremd, sie interessierten auch nicht, denn ich mußte mich um Sam Wilde kümmern.
In mehreren Intervallen sackte er dem Erdboden entgegen, bis ich ihn abstützte und seinen Aufprall dämpfte. Dann saß er
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