0883 - Mörderisch
sie schon sehen, auch wenn sie wie eine Schattenwand wuchsen, hin und wieder nur aufgehellt von schwammigen Lichtinseln.
Kein Mensch war auf der Straße. Sie hatte auch den Fahrer des Wagens nicht aussteigen sehen.
Vielleicht war sie auch zu spät zum Fenster gelaufen. Als das Frösteln über ihr Gesicht rann, zog sich die Frau wieder zurück. Es war draußen doch kühler geworden, aber auch in ihr steckte eine gewisse Kühle.
Die Kälte der Furcht…
Ihr Mann Tim werkelte noch immer im Keller herum. Am vorherigen Tag war ein Regal zusammengebrochen. Das wollte er an diesem Abend unbedingt reparieren. Tim war ein Mensch, der einfach keine Ruhe fand, wenn er seine Aufgabe nicht erledigt hatte. Dabei wollte er allerdings nicht gestört werden. Spätestens gegen Mitternacht wollte er fertig sein. Das hatte er jedenfalls seiner Maggie versprochen.
Sie spülte derweil, wischte die Theke blank und wienerte auch den großen Spiegel.
Des öfteren warf sie einen Blick auf das Fenster, hinter dem sie das Gesicht gesehen hatte.
Es erschien jedoch nicht mehr.
Und trotzdem vergaß sie es nicht. Diese Szene war vergleichbar mit der aus einem Alptraum, die der Träumer, wenn er erwachte, auch nicht so rasch vergaß.
Es war schlimm. Sie konnte sich auch nicht immer beschäftigen. Die Stühle hatte sie bereits hochgestellt, und sie überlegte, was sie als nächstes anpacken konnte.
Da gab es nichts mehr zu tun.
Am liebsten wäre die Wirtin ins Bett gegangen. Das wiederum wollte sie auch nicht, denn sie würden in der Nacht noch Besuch von den Halloween-Geistern bekommen. Und die warteten darauf, das eine oder andere Getränk abzustauben.
Also aufbleiben.
Aber nicht mehr allein.
Und wenn sie in den Keller ging, um ihrem Mann bei der Arbeit zuzuschauen? Sie konnte ihm dann auch von dem Gesicht erzählen, obwohl Tim sie sicherlich auslachen würde, denn für derartige Spinnereien hatte er nichts übrig.
Sie steckte in einer Klemme.
Rechts neben der Theke, wo sich auch die Garderobehaken befanden, gab es eine kleine Tür. Dahinter lag der Flur. Durch ihn gelangte man zu den Toiletten, aber auch zur Kellertreppe. Maggie entschloß sich für den Keller. Sie wollte nicht lange bleiben, nur kurz mit einem Menschen sprechen.
Ein Geräusch schreckte sie auf.
Sofort stand die unbeweglich da.
Maggie hatte es genau gehört und dachte darüber nach. Dieses Geräusch mußte von einer schnell zugezogenen Tür verursacht worden sein.
Die Hintertür kam ihr in den Sinn, und sie dachte wieder an das Gesicht. Mit vorsichtigen Schritten und einer Gänsehaut auf dem gesamten Körper verließ die Wirtin den Bereich des Gastraums und blieb an der Kellertreppe stehen.
Musik hörte sie, aber keine anderen Geräusche. Hatte ihr Mann eine Arbeitspause eingelegt?
Maggie runzelte die Stirn. So etwas wie ein Gefühl der Beklemmung überfiel sie, und sie traute sich zunächst nicht, die Treppe nach unten zu gehen.
Schließlich gab sie sich einen Ruck und schlich die Stufen hinab. Lautlos konnte sie sich nicht bewegen, was einzig und allein an den alten Holzstufen lag.
Auf der viertletzten blieb sie stehen und rief den Namen ihres Mannes. Zuerst wohl zu leise, dann lauter, aber Maggie erhielt keine Antwort. Nur das Radio dudelte. Ein Schlager mit Schmusetext drang an ihren Ohren, auf den sie aber nicht achtete.
Da ist etwas passiert!
Die Worte waren da. Sie ließen sich auch nicht vertreiben, denn der Verstand war in diesen Momenten ausgeschaltet.
Wieder erschien das verdammte Gesicht. Es tauchte so schleierhaft vor ihren Augen auf. Wie von nicht sichtbaren Händen gemalt und an den Rändern zerfasert. In der Mitte des Gesichts sah sie das bösartige Grinsen, und sie konnte auch die schrecklichen Augen erkennen. Sie strahlten Kälte aus.
Kein Schreien, kein Weinen, nur dieses heftige Atmen und Schluchzen, und die Frau wunderte sich darüber, daß sie die Treppe schon hinter sich gelassen hatte.
Es war ihr nicht aufgefallen. Sie stand plötzlich in dem relativ breiten Kellergang, der zugleich wegen seiner hervorragenden Kühle noch als Lagerraum diente, so daß sich die Kisten an den Wänden stapelten. Das alles war vorhanden, es war normal, es kam ihr trotzdem so schrecklich fremd vor.
Und wie eine Fremde setzte auch Maggie ihre Schritte. Bleich im Gesicht, auf dem sich die kleinen Zeichen der Angst - Schweißperlen - abzeichneten.
Da war die Tür!
Nicht geschlossen, nur angelehnt. Hinter dem Spalt brannte das grelle Licht einer
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