0883 - Mörderisch
Kinder sangen noch immer. Sie würden von Haus zu Haus gehen und dort die Bewohner erschrecken.
Die ganze Nacht über würden die Straßen und Gassen von ihrem Gesang widerhallen. Erst wenn die Helligkeit über den Horizont kroch, würde der Gesang verstummen.
Bis dahin aber sollte der Tod reichlich Ernte gehalten haben. Slim Guthry bewegte sich von seinem Standplatz weg. Er tauchte in die Dunkelheit zwischen zwei Buschstreifen ein, die einen schmalen Pfad nicht weit von der Kirche entfernt begrenzten.
Die Kirche haßte er.
Er gönnte ihr keinen Blick. Schon bei einem flüchtigen Hinschauen spürte er die eisige Kälte durch seinen Körper strömen. Nie würde er freiwillig in ihre Nähe gehen, er mußte sich andere Orte aussuchen und stutzte plötzlich, weil er etwas entdeckt hatte.
Licht, das aus dem Boden kroch.
Natas schüttelte seinen häßlichen Schädel, als könnte er es nicht glauben, aber er war neugierig geworden und näherte sich vorsichtig der Lichtquelle. Seine Augen hatten einen metallenen Glanz angenommen, der Körper verschmolz mit den Dunstreifen. Guthry ging geduckt, als wollte er unter dem Nebel herkriechen, und blieb am faserigen Rand der Lichtquelle stehen. Er schaute nach unten.
Die Lösung war einfach.
Das Licht fiel aus einem Kellerfenster. Und er hörte Geräusche, die darauf hindeuteten, daß sich im Keller ein Mensch aufhielt.
Genau richtig für ihn.
Zwei Schritte ging er zurück. So gut wie möglich schaute er sich um. Natas überlegte, wo er sich befand.
Er rekapitulierte noch einmal den Weg, den er gegangen war, und er kam zu dem Ergebnis, daß er sich auf der Rückseite eines Gasthauses befand, das den Namen »Goldener Hase« trug. An diesen Begriff glaubte er sich zu erinnern.
In einem Ort wie Quindon vertraute ein Nachbar dem anderen. Auch in der Halloween-Nacht wurden wohl kaum die Türen verschlossen, und Hintertüren erst recht nicht. Mit dieser Logik suchte er weiter und fand tatsächlich eine schmale Tür, die er mühelos aufziehen konnte. Zwei Schritte brachten die Gestalt in das fremde Haus, in dem er sich kaum umschaute, da Natas wußte, wo sein Ziel lag.
Er suchte die Treppe nach unten.
Sehr schnell hatte er sie gefunden. Er hörte aus dem Keller Musik, in die sich immer wieder dumpfe Geräusche mit einmischten, als wäre jemand dabei, aufzuräumen oder schwere Gegenstände zu verrücken.
Derartige Laute lenkten ab.
Besser konnte es für den Killer gar nicht laufen…
***
Das Gesicht wollte ihr nicht aus dem Kopf!
Immer wieder mußte die Wirtin daran denken. Paul Preston hatte sie verlassen, und sie hätte ihn gern noch länger in ihrer Gaststätte gehabt, wußte allerdings auch, daß dies nicht möglich war, denn der Konstabler mußte seinem Job nachgehen.
Das Gesicht!
Zu wem gehörte es? Wer hatte sich von außen an das Fenster gestellt und hineingeschaut?
Sie wußte es nicht. Nie zuvor hatte sie es gesehen. Maggie ärgerte sich jetzt, mit Paul nicht über den gesamten Schrecken gesprochen zu haben, den sie bei diesem Anblick empfunden hatte. Der Ausdruck in diesem widerlichen und fremden Gesicht war ihr wie eine finstere Botschaft vorgekommen, an der sie noch jetzt zu knacken hatte. So etwas Schreckliches hatte sie selbst in irgendwelchen Filmen nicht gesehen, die im Fernsehen liefen, denn dieses Gesicht war einfach echt gewesen und nicht von einem Maskenbildner hergestellt.
Bisher hatte sich Maggie nicht getraut, an das Fenster heranzugehen, an dem sie den Umriß gesehen hatte. Das änderte sich, als sie ein Geräusch hörte. Zuerst ordnete sie es nicht richtig ein, denn der Nebel verzerrte es auch oder gab ihm einen anderen Klang. Schließlich glaubte sie, ein großes Auto gehört zu haben.
Erst als der Motor verstummt war, raffte sich die Frau auf, zum Fenster zu laufen.
Sie blickte hinaus, schräg über die Straße, und sah an der anderen Seite den Schatten.
Dort stand ein Wagen, ein fremdes Fahrzeug. Sehr groß, kantig, düster. Der Anblick jagte ihr Furcht ein. Sie schalt sich selbst eine Närrin. Warum jagte ihr dieser Wagen den Schauer durch den Körper? Es hing alles mit dem Erscheinen des fremden Gesichts zusammen. Auch jetzt, wo es längst verschwunden war, kam sie darüber nicht hinweg. Maggie lenkte ihre Schritte auf die Tür zu, zögerte einen Moment, dann öffnete sie vorsichtig und schaute nach draußen.
Träge wallte der Dunst zwischen den Häusern hindurch. Er verzerrte die Sicht, aber die Häuser auf der anderen Seite konnte
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