0884 - Mondwölfe
konzentriert. Dreieckig, mit einem weit geöffneten Maul und darüber den kleinen Glutaugen.
Ein menschliches Gesicht?
Das hätte es sein können. Das war es vielleicht auch mal gewesen, vor der Verwandlung.
Jetzt starrten wir die Fratze eines Blutsaugers an!
Nicht der Schreck lähmte unsere Aktivitäten, es war vielmehr das Wissen um das, was vor unseren Augen ablief. Zuerst der Werwolf, nun der Vampir. Zwei der ältesten Blutsauger hatten sich in dieser alten Garage versammelt gehabt, und dies nicht mal in der Nacht, sondern am Tage.
Die Fledermaus änderte ihr Verhalten. Erst jetzt hatte sie bemerkt, daß »Besuch« gekommen war.
Sie war mit sich selbst beschäftigt gewesen, plötzlich aber hörten wir einen leisen, dennoch schrillen und sogar leicht menschlich klingenden Schrei. Dann jagte sie hoch!
Noch einmal hatte sie ihre Kraft gesammelt. Und wieder sah es aus, als hätte jemand eine Decke geworfen, die auf uns niederfallen sollte. Wir wunderten uns beide über diesen Kraftakt, denn es war ihr möglich gewesen, mit den Schwingen unterhalb der Decke herzustreifen. Wir hörten das kratzige Geräusch und sahen auch, wie die Flügel abknickten.
Ich trat zurück, denn Suko hatte inzwischen seine Peitsche gezogen und den Kreis geschlagen.
Drei Riemen wirbelten durch die Luft, und das Monstrum war nicht zu verfehlen.
Der Treffer wirbelte die Fledermaus herum. Sie klatschte gegen die Wand. Der Kopf ruckte noch einmal in die Höhe, und sogar das Maul öffnete sich weiter, obwohl es kaum mehr möglich war.
Aber es riß auch, bevor die Fledermaus noch mit einer torkelnden Bewegung zu Boden fiel und liegenblieb.
Kein Schlagen der Schwingen mehr, kein Zucken des Gesichts. Da lag sie wie ein schwarzer Lappen, der zu einem grauen Etwas wurde. Plötzlich wirkte die Fledermaus stumpf, vergleichbar mit einem alten Wischlappen, und wir sahen auch, daß sie die Leuchtkraft ihrer Augen allmählich verlor.
Als endgültig totes vernichtetes Geschöpf blieb sie reglos auf dem Boden der Garage liegen.
Wir schauten sie an. Natürlich kreisten in unseren Köpfen die Gedanken und Vermutungen, nur war jetzt nicht die Zeit, darüber zu diskutieren, denn die anderen Kollegen hatten beobachtet, was geschehen war. Sie standen an der Garagentür.
Wir drehten uns um.
Buster Simmons, den die Fledermaus zuerst angegriffen hatte, blickte uns in die Augen. Er war kalkweiß im Gesicht, schluckte und hob die Schultern.
»Was…«
»Eine Riesenfledermaus«, erwiderte ich.
»Vampire?«
»So ähnlich.«
»Aber wieso…?«
Ich wurde offiziell, auch wenn es mir nicht so recht paßte. »Bitte, meine Herren, das ist ein Fall für uns. Er geht wirklich nur uns allein etwas an. Ich werde für einen Abtransport sorgen. Okay?«
So ganz einverstanden waren sie nicht. Es hatte sich im Laufe der Jahre hier in London herumgesprochen, wer wir waren, und so ernteten wir keinen Widerspruch.
Suko und ich schauten uns noch einmal die Reste an. Wer immer diese Fledermaus einmal gewesen war, ein Mensch oder ein Tier, jetzt war sie zu grauer Asche zerfallen, und selbst ihre Reiß- und Beißzähne hoben sich davon nicht mehr ab. Auch die roten Halbkugeln der Augen waren vollends verschwunden.
»Jetzt stelle ich die berühmte Frage wie ein TV-Detektiv«, sagte Suko.
»Und wie lautet die?«
»Was nun?«
»Keine Ahnung. Aber es muß weitergehen.« Mein Lächeln zeigte Optimismus. »Wir werden uns von Professor Chapman die Namen der anderen Verletzten geben lassen, mehr können wir im Moment nicht tun…«
Das Krankenhaus kannten wir, aber wir waren bei unserem jetzigen Besuch nicht in die vierte Etage hochgefahren, wo damals die Verletzten untergebracht worden waren.
Den Professor hatten wir nicht sofort sprechen können. Er war zwar wieder im Dienst, hatte sich aber ausgerechnet an diesem Tag einer Nachuntersuchung unterziehen müssen, und dabei hatten wir nicht stören wollen.
Also waren wir auf die Warteliste gesetzt worden, und diese Zeit verkürzten wir uns in der Kantine.
Mittlerweile hatten wir unseren Chef, Sir James, in die Probleme eingeweiht, und der gute Superintendent hatte sich sehr erstaunt gezeigt, denn Werwölfe plus Vampire zusammen, das konnte er schlecht nachvollziehen. Und noch mehr hatte er sich darüber gewundert, daß beide nicht zusammengehörten, sondern sich als Feinde gegenüber standen.
Darüber sprachen wir auch, als wir mit den Löffeln in den Kaffeetassen rührten. Die braune Brühe war sehr stark, deshalb
Weitere Kostenlose Bücher