0885 - Kampfplatz der Bestien
Werwolf hatte seine Stellung nicht verändert. Er stand neben dem Toten und glotzte auf die Tür, als wollte er sie allein durch gedankliche Kraft öffnen. Die Kleidung hatte er sicherlich schon als Mensch getragen, sie hatte der Verwandlung aber nicht standhalten können und war zerrissen, als sein Körper andere Ausmaße angenommen hatte. Die Augen funkelten gefährlich und erinnerten Dick Donovan an geschliffene Gläser.
Der Lehrer stand da und war nicht in der Lage, sich zu rühren. Die Brisanz des langen Augenblicks hielt ihn gefangen. Er kam mit den Ereignissen in dieser Welt nicht mehr zurecht, da war ihm einiges über den Kopf gewachsen, er mußte sie nur akzeptieren und…
Der Werwolf drehte den Kopf.
Nach links.
Und in dieser Blickrichtung befand sich auch das Fenster, in dessen Ausschnitt sich die Gestalt des Zuschauers abhob.
Dick Donovan spürte den Blick des anderen auf sich gerichtet. Ein Blick wie eine Eisdusche, ohne Gefühl, nur Kälte, und er übersah auch nicht das Zittern des fellbedeckten Körpers mit der lang nach vorn gezogenen Schnauze, die halb geöffnet war, damit die Zähne ihr gefährliches Schimmern verteilen konnten. Nicht nur das war zu sehen, auch das Blut, das sich um die Schnauze herum in den Fellhaaren verfangen hatte und dort dunkle Flecken bildete.
Der Schrecken lebte, der Schrecken war da. Er war so nahe, daß Dick nur hätte den Arm auszustrecken brauchen, um ihn berühren zu können. Aber umgekehrt war es ebenso, und Dick glaubte nicht daran, daß sich die Bestie mit einem Opfer zufrieden gab, wo das zweite doch so nah vor ihm stand.
Aus der Kehle des Monstrums löste sich ein kratzender Laut. Dick hatte so etwas noch nie gehört. Vielleicht röchelte so ein Mensch, bevor er starb, ihm jedenfalls war es unbekannt, und er mußte weiter mit ansehen, wie sich die unheimliche Gestalt drehte und dabei auf ihn und das Fenster zukam.
Zuschlagen, weglaufen, sich verstecken!
Es waren die Alternativen, die durch seinen Kopf jagten, aber letztendlich nichts brachten, weil eine Fensterscheibe diese Bestien bestimmt nicht aufhalten konnte. Und sie würde es auch schaffen, sich durch die Öffnung zu zwängen, sie würde alles schaffen und bringen, nur um an ein menschliches Opfer zu gelangen.
Doch es kam anders.
Dick Donovan hatte sich noch nicht zurückgezogen und bekam trotz der Nebelflut mit, was sich da hinter dem Rücken der Bestie tat. Ungefähr an der Stelle, wo die beiden Platanen ihr Geäst gegen den Himmel reckten, löste sich ein Schatten.
Dick dachte an die Szene, als er in seinem Frontera gesessen hatte, und wieder sah es für ihn so aus, als hätte jemand eine Decke geworfen, die sich nun selbständig durch die Luft schwang.
Doch eine Decke war es nicht, sondern ein Wesen, das in der Mitte glühte. Zwei rote Punkte waren dort zu sehen, kleine Kreise, bösartig, grausam und wild.
Eine Fledermaus!
Und sie war schnell.
Durch die Bewegung der Schwingen gerieten auch die Nebelschwaden in eine gewisse Unruhe. Sie wurden durcheinandergewirbelt, sie rollten und dehnten sich, sie waren wie Fahnen, gegen die der Wind blies, und auch der Werwolf spürte, daß etwas nicht stimmte.
Auf halbem Weg zwischen der Leiche und dem Fenster blieb er stehen. Er riß die Arme hoch, er knurrte, dabei drehte er sich um, beobachtet von den starren Blicken des Lehrers.
Noch in der Drehung erreichte die Fledermaus ihr Opfer. Plötzlich faltete sie die Schwingen zusammen und verwandelte sich dabei in ein Dreieck oder einen breiten Pfeil, der sein Ziel nicht aus den roten Augen gelassen hatte. Beide prallten zusammen.
Die große Fledermaus hatte es geschafft, ihre Reißzähne in den Hals des Werwolfs zu schlagen. Dick Donovan sah sogar den Ruck, mit dem sie sich festbiss und die andere Bestie derart überraschte, daß diese zurücktappte.
Donovan kam sich vor wie in einem japanischen Monsterfilm.
Die Riesenfledermaus hackte weiter zu. Sie ruckte dabei, sie bohrte ihre Zähne tiefer in den Hals der anderen Kreatur, und sicherlich spritzte dort bereits das Blut ins Maul der Fledermaus.
Kampflos gab sich der Werwolf nicht geschlagen. Er versuchte mit allen Mitteln, sich seines Todfeindes zu entledigen. Er riß die Arme hoch. Die Hände waren zu Pranken geworden, mit scharfen Nägeln.
Sie bohrten sich in die Haut der Fledermaus, und er wollte sie endlich von seinem Hals fortzerren.
Aber ihr Biss war fest, mörderisch fest sogar.
Sie ließ nicht los.
Der Werwolf zerrte. Die Fledermaus
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