0885 - Kampfplatz der Bestien
schaute ich mir mein Essen an und war überrascht. Roastbeef, Salat, gelbe Mayonnaise, es sah nichts grau oder alt aus, und nach dem ersten Bissen mußte ich den verschnupften Portier Abbitte leisten. Das Sandwich schmeckte wesentlich besser, als unser Zimmer eingerichtet war.
Ich hatte auch die Bierflasche geöffnet. Nach dem zweiten Bissen nahm ich einen Schluck. Das Zeug war gut gekühlt und eine kleine Wohltat für unsere ausgedörrten Kehlen.
Wir aßen schweigend. Hin und wieder knarrte die alte Matratze, wenn wir uns bewegten.
»Noch Hunger?« fragte ich, als Suko den letzten Krümel verspeist hatte.
»Ja, aber laß mal.« Er wischte seine Hände am Taschentuch ab.
»Wenn du dir noch Nachschub holen willst, ich verzichte.«
»Allein zu essen, macht mir keinen Spaß.«
»Darf ich dich bedauern?« fragte Suko beim Aufstehen, ging zur Tür und winkte mir noch zu.
Ich grüßte zurück.
Allein blieb ich in der Bude sitzen und konnte mir jetzt die Beschwerden so mancher Reisender vorstellen, die beruflich immer wieder in Hotels übernachten mußten, und in derartigen Buden Depressionen bekamen. Es war auch nichts zu sehen, was einen Gast fröhlich gestimmt hätte.
Ein Bad gab es. Immerhin. Die Dusche war fleckig, das winzige Waschbecken ebenfalls, aber über dem Toilettendeckel lag zumindest eine Schutzhülle aus Papier.
Ich verzichtete auf eine Dusche, stellte das Fenster in eine Kippposition und machte mich lang. Die anstrengende Fahrt und das Bier hatten für eine gewisse Müdigkeit gesorgt, und so fielen mir die Augen wie von selbst zu. Dabei hatte ich das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen, das erst am Mittelpunkt der Erde sein Ende fand.
Ich wurde wieder wach.
Ob sehr schnell oder erst nach einer gewissen Zeit, das konnte ich nicht feststellen, jedenfalls war ich trotz der Tiefe des Schlafs irritiert worden.
Ich blinzelte, öffnete die Augen – und entdeckte sofort, was mich geweckt hatte.
Es war der Schein hinter dem kleinen Fenster!
Zunächst war ich zu benommen, um mich näher damit zu beschäftigen. Ich dachte auch daran, daß jemand draußen stand und dabei war, mit einer lichtstarken Taschenlampe in den Raum zu leuchten, doch so groß und so rund war kein Taschenlampenkegel. Da mußte schon jemand einen Scheinwerfer aufgebaut haben.
Das aber stimmt auch nicht, denn ich wurde nicht geblendet. Stattdessen sah es aus, als wäre der Mond vom Himmel gefallen, und dabei überkam mich schlagartig die Erinnerung.
Es war kein Mond. Es war die Scheibe, die ich schon einmal gesehen hatte.
Nicht in einem Hotel, sondern in einem Krankenhauszimmer. Und auch jetzt schob sich ein Schatten hervor. Ich sah den Wolf, aber ich sah auch noch mehr: das Gesicht und den Körper einer Frau.
Morgana Layton war gekommen!
***
»Nichts sagen! Nichts sagen! Nichts sagen!« Dick Donovan brachte die Worte flüsternd hervor. Er hörte das Vibrieren seiner eigenen Stimme, er spürte, wie stark er zitterte, und die Schweißausbrüche ließen sich nicht aufhalten.
Keiner der beiden wußte, ob die Bestie sie schon entdeckt hatte. Jedenfalls machte sie nicht den Eindruck, tappte weiter vor und ging trotz dieser unregelmäßigen Bewegung ziemlich geschmeidig, bis sie einen gewissen Punkt direkt vor der Haustür erreicht hatte, wo sie stehen blieb und die Leiche fallen ließ.
Beide gingen davon aus, daß Freddy Line nicht mehr lebte, und sie erhielten auch die Bestätigung, denn dort, wo der Werwolf gestoppt hatte, war der Lichtschein heller.
Die blutbefleckte Brust fiel auf.
Getötet, nicht gebissen, dachte der Lehrer und rekapitulierte, was er über Werwölfe gelesen hatte. Wenn diese Bestien ihre Opfer töteten, dann liefen diese zumindest nicht in Gefahr sich zu verwandeln und ebenfalls als Bestien auf der Suche nach Opfern durch die Welt zu hetzen.
Der Werwolf ließ Freddy los. Dessen starrer Arm fiel wie ein Brett nach unten. Er prallte auf die Erde.
Neben sich hörte Dick die Atemgeräusche seiner Freundin. Sie stand kurz vor dem Durchdrehen.
Sally ging zurück.
Mit Schritten wie ein Zombie, mit einem ebenso bleichen Gesicht, mit dem Schrecken und dem Wissen in den Augen, daß es auch für sie lebensgefährlich werden konnte, und sie hatte das Glück, gegen einen der beiden kleinen Sessel zu stoßen, die sich in diesem Raum dicht hinter der Tür befanden.
Sally fiel hinein. Sie blieb sitzen, und schubweise drang der Atem wie ein Zischen aus dem Mund.
Der Lehrer aber schaute wieder nach vorn.
Der
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