0885 - Kampfplatz der Bestien
Schüler. So etwas hätte er ihnen als Märchen erzählen, aber nicht als Realität verkaufen können.
Donovan startete noch nicht. Auf dem Sitz drehte er sich um und schaute nach draußen. Er war noch immer ängstlich. Wo ein Wolf gewesen war, konnte durchaus ein zweiter lauern. Alles war möglich in dieser verwunschenen und unheimlichen Gegend.
Man ließ ihn in Ruhe. Den Nebel konnte er beim besten Willen nicht als Angreifer einstufen. Allmählich drückte sich auch die Furcht zurück, das Gewesene geriet etwas in Vergessenheit, und Donovan stellte fest, daß die Neugierde bei ihm die Oberhand gewann. Er faßte sogar einen Plan und wollte den Wagen verlassen, um dort nachzuschauen, wo alles passiert war. Vielleicht hatte die Scheibe etwas hinterlassen, das er als einen Beweis sichern konnte.
Dieser Vorgang war nicht nur ein Fall für ihn allein, es war vor allen Dingen einer für die Polizei, denn er mußte seine Aussage machen.
Die Frage war nur, ob man ihm glauben würde. Er stellte diesen Vorsatz zunächst einmal zurück, um ihn zu überdenken, dann öffnete er behutsam die Tür und stieg aus, als wäre er ein Fremder in seinem eigenen Fahrzeug. So behutsam und vorsichtig.
Der Weg vor ihm war frei. Es gab keine Lichtscheibe mehr, er sah auch keinen Wolf, hörte weder ein Heulen noch ein Knurren, und der normale Mond würde auch sicherlich weiterhin normal am Himmel stehen und leuchten, auch wenn er ihn wegen des Nebels nicht sah. Nebel, Dunst – kalte Tücher, die flossen und quollen. Sie umgaben den einsamen Mann bei jedem Schritt. Dick hatte seine Blicke zu Boden gerichtet, schon jetzt suchte er nach irgendwelchen Hinterlassenschaften, fand nichts und blieb dann dort stehen, wo er glaubte, die Scheibe gesehen zu haben.
Er bückte sich.
Das Restlicht der Opel-Scheinwerfer erfassten ihn soeben noch und machten die Umgebung milchig. Auf der schmalen Straße war nichts zu sehen, die Scheibe hatte kein Indiz hinterlassen. Kein Einschnitt, keine Spur, einfach nichts.
Er fand aber trotzdem etwas, als er seine rechte Hand über den Boden gleiten ließ.
Ein dunkles, schmieriges Zeug, das feucht an seinen Fingern klebte. Er runzelte die Stirn, holte mit der anderen Hand ein Feuerzeug hervor und leuchtete seine Rechte an.
Dort klebte das Zeug, das auch auf dem Boden lag. Es mußte die Asche des seltsamen Vogels sein, der bei der Berührung der hellen Scheibe verglüht war.
Vogel…
Nein, das war er nicht gewesen. Dick ging davon aus, eine Mutation gesehen zu haben. Die Mutation einer bestimmten Art, denn wenn er normal und emotionslos darüber nachdachte, dann hatte er schlicht und einfach eine Fledermaus gesehen. Eine überdimensionale.
Ja, so war es.
Plötzlich rastete während seiner Überlegungen etwas ein. Es war zwar nicht logisch und wirklichkeitsnah, aber er ging davon aus, daß er einen Vampir entdeckt hatte.
Zuerst einen Wolf, einen Werwolf möglicherweise, dann einen Vampir. Sein Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das aber nicht so gemeint war. Er hätte schreien können, auch fluchen. Ein Werwolf, ein Vampir, was gab es da für eine Steigerung?
Höchstens – ja, ein Zombie.
Als ihn dieser Gedanke erreichte, fing er an zu frieren, was nicht an der Witterung lag. Er spürte den Schauer und die Gänsehaut auf seinem Körper, die Augen brannten vom langen Starren, und mit einer sehr langsamen Bewegung drehte er sich um.
Die Schritte waren schleppend, als er zu seinem Auto zurückkehrte. Durch seinen Kopf tickten die Gedanken.
Werwolf, Vampir, Zombie…
Immer und immer wieder beschäftigte er sich damit, obwohl die dritte Schreckensgestalt bisher nur in seiner Phantasie existierte. Donovan hoffte, daß es auch so blieb. Ein drittes Monster hätte er nicht mehr ertragen.
Er öffnete die Fahrertür, wollte einsteigen, hielt aber inne, weil es die Stimme der Nacht nicht mehr gab. In der Ferne war der Laut zu hören, unheimlich und furchteinflößend.
Ein klagendes Heulen, das auch die Nebelschleier nicht aufhalten konnten und bei Dick Donovan wieder für einen dicken Hals und Herzklopfen sorgte.
Rasch stieg er ein und zog die Wagentür zu. Verdammt, dachte er, sie sind noch da. Sie sind noch da…
Dann fuhr er weg. Viel zu schnell wegen des Nebels, aber das war ihm egal…
***
Wir konnten Tracy Ralston nur dankbar sein, daß sie sich an die Worte ihres Mannes erinnert hatte, als dieser noch normal gewesen war. Das war nicht mehr der Fall. In seiner Wohnung hatte er sich in einen Werwolf
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