0886 - Todesjagd
zündete sich einen Zigarillo an und blies den hellgrauen Rauch wieder aus. Beim Rauchen kamen ihm die besten Ideen.
Nach wenigen Sekunden drückte er eine Taste an seinem in der Freisprecheinrichtung hängenden Handy. Schon nach wenigen Klingeltönen meldete sich Julio Lopez.
Die Verbindung war nicht gerade berauschend, aber Clifford verstand, was der Alte sagte und umgekehrt.
»Hast du schon diesen Professor benachrichtigt?«, wollte der Mann aus Kalifornien wissen.
»Wir haben die Telefonnummer doch nicht gefunden«, klagte Lopez.
»Dann beeile dich halt, wenn du weißt, dass du so langsam bist…«
***
»Verdammt noch mal, wo hat sie es bloß hingelegt? Es muss doch da sein!«
Julio Lopez durchsuchte die persönlichen Unterlagen von Silvana. Das meiste hatte sie in Einlagefächer gestapelt. Der Ex-Polizist wusste im Großen und Ganzen über ihre wenigen Privatsachen Bescheid.
Das Verschwinden der Waldhexe hatte ihn vollkommen durcheinander gebracht. Er kannte sie schon so viele Jahre, hatte sie vor langer Zeit sogar festgenommen und nach Porto Velho gebracht, um sie dort vor Gericht stellen zu lassen.
Aber schon kurz darauf hatten sie ihren Frieden miteinander gemacht und sie wurden die besten Freunde, die man sich vorstellen konnte.
Was er sich nicht vorstellen konnte und wollte war, dass es sie nicht mehr geben sollte. Er war nicht sicher, ob sie wirklich tot war, oder ob sie Dank ihrer Hexenkräfte irgendwo weilte, damit ihre Verletzungen heilten.
»Ich habe sie… besiegt, aber das… wird sie erst noch erkennen .« Diesen Satz würde er im Geiste hören, bis er selbst starb. Er wusste nicht, was Silvana damit andeuten wollte, aber er verspürte tiefe Demut, wenn er an ihre letzten Worte dachte, mit denen sie sich bei ihm bedankt hatte.
»Du hast schon so viel… für mich getan, Julio…«
Diese Anerkennung war ihm mehr wert, als alles Geld der Welt. Tränen rannen über die zerfurchten Wangen des alten Mannes. Er wischte sie mit den Ärmeln seines verstaubten Hemdes weg.
Langsam konnte Lopez wieder klarer sehen. Er zog die oberste Schublade des kleinen Schreibtisches auf und sah ein abgegriffenes Buch.
»Ah, da ist es!«
Er blätterte in dem Adressbuch. Penibel, wie es ihre Art war, hatte Silvana die Adressen und Telefonnummern der für sie wichtigen Leute eingetragen.
Ein Eintrag war herausgetrennt worden. Lopez kniff die Augen zusammen, als er bemerkte, dass es genau der Eintrag war, den er suchte. Und zwar der von Château Montagne.
»Professor Zamorra fehlt«, hauchte er und wollte es nicht glauben.
Er hielt einen Bleistift waagerecht und strich damit mehrmals sanft über das darunter liegende Papier. Dann verwischte er alles mit einem Finger. Im grauen Graphitstaub erkannte Lopez helle Zahlen und Buchstaben. Die Anschrift von Zamorra wurde wieder lesbar, aber die Rufnummer nicht. Nur die Vorwahl war zu erkennen.
»Merde!«, schimpfte Julio Lopez. »Das wäre ja wieder zu einfach gewesen, um schön zu sein.«
Unter Zamorras Aufenthaltsort stand ein zweiter Name. Dieser Mann lebte auch in Frankreich, und dazu sogar noch im gleichen Ort, wie Postleitzahl und Vorwahl bewiesen.
Lopez ging bei diesem Namen genauso vor wie bei Zamorras Adresse. Nach wenigen Sekunden konnte er den Namen und die Anschrift des Unbekannten sehen.
»Pascal Lafitte«, las Lopez, griff nach seinem Handy und begann zu wählen. »Wer immer das auch ist. Dann wollen wir mal sehen…«
***
Im kleinen 300-Seelen-Dörfchen unterhalb von Château Montagne lebten Pascal und Nadine Lafitte mit ihren Kindern Joaquin und Yvonne. Pascal galt als Zamorras »Vorkoster« in Sachen »Internationale Zeitungen«. Zamorra hatte etliche Gazetten abonniert, und Pascal Lafitte durchforschte sie nach Berichten über übersinnliche oder sonst wie ungewöhnliche Ereignisse. Wurde er fündig, schickte er die eingescannten Texte per E-Mail direkt in die vor zwei Jahren von Olaf Hawk auf den neuesten Stand gebrachte EDV-Anlage des Châteaus, oder er kam persönlich vorbei, um dem Professor die Ergebnisse seiner Sucharbeiten zu präsentieren.
Für diese Arbeit erhielt er von Zamorra einen nicht gerade kleinen Obolus, um seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie zu gewährleisten; schließlich war Pascal ein Pechvogel ersten Ranges.
Hatte er eine feste Arbeitsstelle gefunden, so machte die Firma innerhalb kurzer Zeit Pleite, oder bei der nächsten Entlassungswelle war Pascal als Letzteingestellter einer der ersten, die wieder
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