0891 - Knochenklaue
die Tür aufgerissen und stürzte nach draußen. Ich warf einen Blick nach links. Auf der anderen Seite des Gehsteigs war die Hausfront durch die Schaufensterscheibe eines Geschäfts unterbrochen.
Es mußte Donatas Laden sein, denn in den Auslagen verteilten sich Bücher, Schreibwaren und Spielzeug.
Das war jetzt unwichtig. Die Frau, die aus dem Laden gelaufen war, zählte und sie hatte mir so ausgesehen, als hatte sie ihn nicht gerade freiwillig verlassen. Darauf wies auch ihre Kleidung hin, die sie zwar in der Wohnung oder im Geschäft tragen konnte, aber nicht bei dieser Kälte im Freien.
Diese junge Person hatte das Geschäft fluchtartig verlassen. Ich stand nahe am Bordstein, stieg aus und bekam mit, wie die junge Frau von der älteren gestützt wurde.
»Bitte, Ann, es ist vorbei!« hörte ich Donata sprechen.
Ann nickte. Sie hatte den Kopf nach vorn gebeugt, atmete schwer und stützte sich an Donata McBain ab, die ihre Mitarbeiterin zum Geschäft führte.
Beide passierten mich. Donata warf mir einen verständnislosen und auch hilfesuchenden Blick zu, dem zu entnehmen war, daß auch sie noch nicht viel wußte.
Ich ging davon aus, daß Anns Verhalten in einem Zusammenhang mit dem Angriff auf Donata stand. Damit war der Fall nicht klarer geworden. Im Gegenteil, er wurde immer verworrener.
Ich betrat als letzter das Geschäft und drückte die Tür zu. Dann schaute ich mich um.
Es war nichts Besonderes zu sehen. Ein völlig normales Schreib- und Tabakwarengeschäft mit kleinen Nebenzweigen, denn es wurde auch Spielzeug verkauft.
Donata McBain hatte einen Stuhl geholt und die leichenblasse Ann auf die Sitzfläche gedrückt. Sie war dabei, ihre Haare immer wieder nach hinten zu streifen, nervöse Bewegungen, begleitet von heftigen Atemzügen. Die Augen befanden sich in ständiger Bewegung, als suchte oder erwarte sie etwas.
Mir war eine Puppe aufgefallen, die zerbrochen auf dem Boden lag. Man hatte ihr den Kopf abgerissen. Beide Teile, Kopf und Körper, lagen ein Stück voneinander entfernt. Was dies zu bedeuten hatte, wußte ich nicht, ich würde es erfahren, dessen war ich mir sicher.
Donata McBain war verschwunden. Als sie zurückkehrte, atmete Ann auf, nun war sie nicht mehr allein. Sie bekam von ihrer Chefin ein Glas Whisky, nickte und trank es leer. Danach hustete sie und rang nach Luft, aber ihr Gesicht bekam Farbe.
Ich sprach Donata mit leiser Stimme an. »Was ist denn überhaupt passiert?«
Sie hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ann Cordy wirkt schockiert. Über den Grund schweigt sie. Ich hoffe aber, daß sich das jetzt ändern wird.«
»Ja, das wäre gut.« Ich faßte die Frau an und drehte sie herum. Sie hatte ihre dicke Kleidung ausgezogen. Unter der Wolle des Pullovers spürte ich das Zittern. »Dort liegt eine zerstörte Puppe. Können Sie sich einen Reim darauf machen?«
Sie schaute hin, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht. Als ich den Laden hier verließ, war die Puppe noch ganz.«
»Wer hat es getan? Ann?«
»Ist schwer vorstellbar.«
»Das meine ich auch, doch ich bin überzeugt, daß die Zerstörung der Puppe mit ihrem Verhalten in einem Zusammenhang steht. Aber das werden wir noch herausfinden.«
»Gut, gut…« Donata warf den beiden Teilen einen scheuen Blick zu. Auch ihr war es nicht geheuer.
Ann Cordy hatte ihr Glas leer auf den Verkaufstresen gestellt. Sie saß auf dem Stuhl, den Kopf und den Oberkörper nach vorn gebeugt und starrte zu Boden.
Donata McBain trat zu ihr. »Geht es dir jetzt etwas besser, Ann?«
Sie hob die Schultern, danach nickte sie und strich anschließend durch ihr Gesicht.
»Darf ich dir John Sinclair vorstellen? Er hat mich vom Friedhof nach Hause gefahren.«
Es sah so aus, als hätte Ann nicht zugehört. Schließlich hob sie den Kopf und schaute mich an.
Ich lächelte.
Sie aber blieb mißtrauisch. »Wer ist das?« flüsterte sie.
»Jemand, der mir geholfen hat.«
»Aha.«
»Vielleicht kann er auch dir helfen, Ann.«
»Oder es zumindest versuchen«, sagte ich.
Sie holte durch die Nase Luft. Ihre Nasenlöcher an den Seiten bebten dabei. »Wobei sollte er mir helfen können, Mrs. McBain?«
Donata strich über Anns Haar. »Aber es ist doch etwas vorgefallen, das dich erschreckt hat. Sonst wärst du ja nicht fluchtartig auf die Straße gelaufen.«
»Ja, das stimmt«, murmelte sie.
»Kannst du darüber reden?«
Ann überlegte, bewegte den Mund. Es dauerte, bis sie sich zu einer Antwort bequemt
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