0891 - Knochenklaue
konnte sie stellen.
»Versuchen wir es gemeinsam.«
Donata hob die Schultern. »Es liegt nicht an mir. Wenn Sie sich entschlossen haben, gut.«
»Das habe ich.«
»Und wie soll es weitergehen?«
»Ganz einfach. Wir gehen jetzt in Ihre Wohnung. Eine Frage zuvor. Haben Sie ein Gästezimmer?«
»Ja, kommen Sie. Wir können von hier in meine Wohnung hochgehen.«
Donata McBain ging vor. Sie kam mir erleichtert vor. Ich warf noch einen Blick auf die Puppe und hatte dabei den Eindruck, als würde mich das Puppengesicht höhnisch angrinsen…
***
Ann Cordy hatte sich alles andere als sicher gefühlt, nachdem sie den Laden verlassen hatte. Dabei hatte sie geglaubt, daß die kalte Luft die Schrecken der Erinnerung würde vertreiben können, was aber nicht der Fall gewesen war.
Je mehr sie darüber nachdachte, um so schlimmer wurde es. Und sie fühlte sich auch schrecklich allein. Es war für Ann besser, wenn sie unter Menschen kam, das waren in ihrem Fall die Eltern.
Der Nachmittag war schon weit fortgeschritten. Die grauen Wolken am Himmel bildeten eine Schicht. Bei genauerem Hinsehen aber lagen mehrere Schichten übereinander. Das klare Frostwetter war verschwunden, die Temperaturen würden steigen und in Bereiche gelangen, wo wieder der Schnee in Massen vom Himmel rieselte. Das war auch vorausgesagt worden. Wahrscheinlich würde es an diesem Abend schon anfangen, und dann waren Straßen und Gehsteige Eisflächen.
Ann Cordy wohnte nicht direkt im Zentrum. Ihre Eltern lebten in dem von den Großeltern väterlicherseits ererbten Haus am Westrand des Ortes, mit einem freien Blick über Wiesen und Felder, bis hin zu den Bergen.
Auf dem Grundstück standen noch zahlreiche Bäume, die ihr Laub längst verloren hatten und Ann vorkamen wie kahle Gespenster mit zahlreichen Armen. Auf dem Weg zum Haus schaute sie sich immer wieder um. Es war niemand zu sehen, sie hörte auch nichts, kein Flüstern, kein Kichern, nur der Wind rauschte leise singend um ihre Ohren entlang, als wollte er ihr Mut für die Zukunft machen.
Mut brauchte sie auch, als sie feststellte, daß keiner zu Hause war. Eine abgeschlossene Haustür ließ Trauer in ihr hochsteigen. Sie schloß auf, betrat den Flur und sah sofort den Zettel, der auf den Steinfließen lag.
Sie hob ihn auf und machte Licht. Dann las sie die Nachricht ihrer Mutter. Man gab ihr zu verstehen, daß beide Eltern einen Besuch bei Freunden machten und später zurückkehren würden. Das Essen mußte sie sich aufwärmen.
»Ausgerechnet jetzt!« flüsterte Ann, stand steif im Flur und knüllte die Nachricht in der Faust zu einem Klumpen zusammen. Dann warf sie den Zettel wütend in den Schirmständer.
Danach zog sie ihren Mantel aus, hängte ihn auf und blieb noch vor der Treppe stehen. Wut und Angst überschwemmten sie. Ann hatte Mühe, gegen die Tränen anzukämpfen. »Ausgerechnet jetzt. Ausgerechnet heute sind sie nicht da!« schoß es ihr durch den Kopf. Sie wurde noch wütender, gleichzeitig aber dachte sie auch logisch weiter. Wie hätten ihre Eltern wissen können, was ihr widerfahren war? Außerdem war sie erwachsen und hatte immer darauf gedrungen, einen eigenen Weg zu gehen. Der lag jetzt steinig vor ihr, obwohl sie nichts anderes tat, als völlig normal im Haus zu stehen, wie Ann es auch gewohnt war, bevor sie nach oben zu ihrem Zimmer ging.
Sie wohnte unter dem Dach. Früher einmal war ihr Zimmer ein Spitzboden gewesen. Er war für sie renoviert worden. So konnte die kleinere Schwester, die mit den Eltern mitgegangen war, eine Etage tiefer schlafen und hatte dort ihr eigenes Reich.
Die Treppe bestand aus dunklem Holz. Wer das heute bekommen wollte, mußte es sich durch Handwerksarbeit teuer anfertigen lassen.
Ann Cordy gab sich einen Ruck und stieg die Stufen hoch. Sie ging dabei langsam, die Handfläche strich über das Geländer hinweg, sie schaute hoch zum ersten Treppenansatz, der in einem dämmrigen Schattenlicht lag, und sie hatte den Eindruck, als würde sich dort etwas bewegen, was im Prinzip auch stimmte, nur war es das Blatt eines verstaubten Gummibaumes, das zitterte, als wäre eine Hand darüber hinweggefahren.
Nichts passierte. Aber Ann änderte trotzdem etwas. Sie machte Licht, um die nachträglich eingebaute schmale Treppe zu sehen, die hoch zu ihrer Kammer führte. Mehr als eine Kammer war es nicht, trotzdem fühlte sie sich wohl.
Im Haus war es warm. Der Kamin heizte alle Räume, und auch oben bei ihr stand die Wärme.
Ann hatte die Treppe hinter
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