0896 - Das Psychonauten-Kind
ging davon aus, daß diese auch nach ihm suchten.
Und nicht nur sie.
Möglicherweise hatte auch die Heimleiterin reagiert und die Polizei eingeschaltet, deshalb war er auch vor ihr auf der Hut.
Gegen Mittag trieb er sich zusammen mit Eden in Greenwich herum, dem berühmten Ort, in dem sich Theater, Museen und Kinos konzentrierten, wo sich auch viele Menschen aufhielten, die an der Kultur interessiert waren. Die südliche Seite der Themse hatte er bisher außer acht gelassen, aber er mußte sie kennen, um sich später auch dort zurechtfinden zu können.
Seinen Hunger stillte er in einem kleinen Restaurant, mehr einem Schnellimbiß, der zu einer großen amerikanischen Kette gehörte und sich auf Geflügel spezialisiert hatte.
Er kaufte gegrillte Chicken, nahm dazu eine rote Soße und noch eine Portion Pommes frites. Eden bekam nichts. Er hatte ihm zuvor bei einem Schlachter schon Fleisch gekauft und auch eine große Hundewurst mitgenommen, die in einer Anoraktasche steckte.
Gordy aß und fühlte sich etwas müde. Er hatte sich bewußt in eine Ecke des Restaurants gesetzt, wo er von dem großen Trubel verschont blieb. Eden lag neben ihm, auch er hatte es sich bequem gemacht, und Gordy aß mit langsamen Bewegungen seine Kartoffelstäbchen. Hin und wieder nahm er einen Schluck Limonade. Er schaute zwar nach vorn, aber die Umgebung rückte immer weiter von ihm fort, die Müdigkeit nahm Überhand, er sehnte sich nach einem Bett.
Es kam, wie es kommen mußte, Gordy schlief ein. Eden aber wachte. Der Hund hatte sich an den Trubel gewöhnt. Es machte ihm nichts, wenn die Gäste an den Nachbartischen ständig wechselten, und er muckte auch nicht auf, als er zwei Polizisten in Uniform sah, die hier ihre Mittagspause verbrachten.
Die beiden hatten sich gesetzt, ihr Tablett auf den Tisch gestellt, schauten sich um, und beide zuckten plötzlich zusammen, als sie den Hund sahen und den schlafenden Jungen am Tisch.
»Scheiße, das ist er!«
Der zweite Polizist schluckte, als könnte er es nicht glauben. Er machte einen langen Hals, nickte dann und sah, daß der Kollege bereits das Handy hervorgeholt hatte und eine bestimmte Nummer tippte.
Über diese Zahlenreihe war ein gewisser Captain Miller zu erreichen, der den Einsatz leitete.
Miller nahm selbst ab.
Eine halbe Minute später befand er sich bereits auf dem Weg. Die beiden Beamten waren zufrieden, widmeten sich wieder ihrer Mahlzeit und ließen ansonsten den Jungen und seinen Hund nicht aus den Augen…
***
Jetzt waren wir doch froh, den Rover mitgenommen zu haben, denn im Gebiet des Hafens waren die U-Bahnstationen nicht gerade großzügig verteilt. Einen Parkplatz fanden wir auf dem Gelände einer Spedition, nachdem wir einige freundliche Worte mit dem Leiter gewechselt hatten. Er war zwar nicht begeistert, lehnte aber auch nicht ab und versprach uns sogar, auf den Rover zu achten.
Über London war die Wolkendecke verschwunden. Wir hatten gar nicht darauf geachtet und wunderten uns plötzlich über den blauen Himmel, der nur mehr breite Streifenwolken zeigte, die aber auch immer dünner wurden.
Die Sonne schien, die Temperaturen stiegen. Sie bewegten sich in die Nähe einer zweistelligen Zahl, und Regen würde es an diesem Tag sicherlich nicht geben.
In diesem Wirrwarr wohnten Menschen, arbeiteten Menschen, fuhren Züge, gab es breite und weniger breite Straßen, gab es schmale Wege und auch Sackgassen.
Sich hier zurechtzufinden, war nicht einfach, denn viele Straßenschilder gab es nicht gerade. Aber die Sonne und die Bläue des Himmels schafften es auch in dieser Gegend, das triste Grau ein wenig zu vertreiben und die Gegend freundlicher zu machen.
Wo die Pension, die Absteige, die nur Baracke genannt wurde, lag, das wußten wir nicht. Deshalb erkundigten wir uns bei einem Trödler, der auf einer Leiter stand und dabei war, seine Schaufensterscheibe zu putzen.
Der Mann schaute von oben auf unsere Köpfe. Er war ein Farbiger mit hellgrauen Haaren. »Was wollt ihr! In die Baracke?«
»Ja.«
Er schnüffelte. »Hier riecht es nach Bulle. Und Bullen gebe ich nur ungern Auskunft. Was wollt ihr?« Er stieg endlich die Leiter herunter.
»Nur wissen, wo wir die Baracke finden.«
»Nichts ist umsonst.«
Er bekam zwei Ein-Pfund-Noten, die er zerknitterte und in seiner Kitteltasche verschwinden ließ.
Dann erklärte er uns den Weg und machte uns klar, daß wir nur etwa zehn Minuten zu laufen hatten.
»Danke.«
»Sonst noch was?«
»Ja«, sagte Suko. »Das
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