0898 - Der Saboteur
herbeizuschaffen hatten, würden keinen Menschen durch den Weltraum tragen, sondern von Robotern bemannt sein.
Eine unangenehme Vision stieg in der Mutantin auf: Die Roboter, unfähig, sich auf neue Situationen einzustellen, kamen auf einen Planeten, der nicht nur Wasser, sondern auch intelligente Lebewesen aufzuweisen hatten, und diese schalte-ten die Maschinen aus und flogen zur SOL - würden die Menschen in diesem Raumschiff nach ein oder zehn oder hundert Generationen noch fähig sein, sich gegen einen solchen Überfall zu' wehren? Oder waren sie hilflose Opfer für Invasoren aller Art?
War vielleicht auch die scheinbare Abkehr von den Terranern nur eine be-sondere Tarnung für die wahren Pläne der Solgeborenen? Waren sie nicht schon auf die Idee gekommen, sich - im Verbund mit ihrem Raumschiff - rnit einer Superintelligenz zu vergleichen? Warteten sie lediglich auf den Abflug der BASIS, um zur Eroberung eines entsprechenden Herrschaftsbereichs zu starten?
Die Mutantin rief sich selbst zur Ordnung.
Sie durfte sich nicht verrückt ma-chen lassen. Die Solgeborenen waren keine Superintelligenz, und sie würden auch so schnell nicht zu so hohem Rang aufsteigen. Ganz sicher bildeten sie keine Gefahr für Hunderttausende von bewohnten Planeten. Im Gegenteil -eher drohte ihnen die Degeneration.
Sie erreichte den Wohnsektor, in dem sie Sternfeuer zu treffen hoffte. Sie hatte eine verschwommene Vorstel-lung davon, daß das Mädchen in einer sehr konkreten Gefahr steckte. Sie hoffte, daß sie sich irrte. Es schien, als sei Sternfeuer eine Mutantin, deren Fähigkeiten aber noch brach lagen. Und Irmina Kotschistowa wußte aus eigener Erfahrung, daß extreme, ge-fühlsbetonte Situationen solche Fä-higkeiten plötzlich zum Durchbruch bringen konnten - was oft nicht einmal für die Umgebung, sondern für den be-treffenden Mutanten selbst zumindest Schwierigkeiten mit sich brachte.
Sternfeuer wartete bereits. Sie stand vor der Tür zur Kabine des alten Tor-boros. Auf den ersten Blick hatte das Mädchen sich überhaupt nicht verän-dert.
Irmina Kotschistowa atmete heim-lich auf.
Sternfeuer war neugierig und ein bißchen mißtrauisch. Es schlen, als 'halte sie Irminas Behauptung, der Ter-raner habe etwas an Bord der SOL ver-gessen, für einen Vorwand. Die Mutan-tin hatte vorgesorgt. Es gab wirklich etwas in dieser Kabine. Sie ging gera-dewegs zu einem stark verborgenen Schrankfach, drückte auf einen Knopf und registrierte zufrieden Sternfeuers erstaunte Blicke. Das Mädchen wnßte nichts von diesem Versteck. In einem Fach dieser Art, das schmal und fast unsichtbar zwischen zwei Schrankele-menten steckte, ließ sich allerdings auch nicht viel unterbringen. Die Mu-tantin holte ein flaches Päckchen dün-ner Folien daraus hervor. „Was ist das?" fragte Sternfeuer neu-gierig. „Ich weiß es nicht", erwiderte Irmina Kotschistowa wahrheitsgemäß. „Tor-boros bat mich, es nicht zu öffnen. Es sind irgendwelche privaten Unterla-gen."
Sie steckte das Päckchen ein und wandte sich zu Sternf euer um. „Du siehst gut aus", stellte sie fest. „Aber du scheinst traurig zu sein. Was ist los?"
„Ich bin nicht traurig", flüsterte Sternfeuer und kämpfte hartnäckig gegen die Tränen an. Als die Mutantin den rechten Arm um die Schultern des Mädchens legte, war es mit Sternf euers Selbstdisziplin vorbei.
Irmina Kotschistowa stand ganz still und ließ das Mädchen weinen. Sie war grenzenlos erleichtert, denn es schien, als sei wirklich alles ganz einfach. Sternfeuer hatte Kummer - nun, der würde sich legen. Sie nahm sich vor, ein paar Tage auf der SOL zu bleiben, wenn es sich irgendwie einrichten ließ.
Das Mädchen beruhigte sich überra-schend schnell. Die Mutantin fragte nach allerlei alltäglichen Dingen, und sie beobachtete zufrieden, daß Stern-feuer allmählich wieder zu ihrem normalen Verhalten zurückfand. Da es in der kahlen Kabine alles andere als ge-mütlich war, schlug Irmina vor, in eine nahe gelegene Messe zu gehen. Dort bekam man zwar auch dann nur Konzentrate und Synthonahrung vorge-setzt, wenn frischer Proviant verfüg-bar war, aber die Vorteile wogen das wieder auf - die Automaten lieferten Speisen und Getränke an jeden, ohne daß man irgendeine Legitimation brauchte, und diese Lokalitäten waren derart schlecht besucht, daß man mit einiger Sicherheit keine Störung durch Außenstehende zu erwarten brauchte. Die Mutantin legte großen Wert dar-auf, sich mit dem Mädchen in aller Ruhe unterhalten zu
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