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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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dem Sack«, rief sie. »Willst du mit uns sprechen? Tritt vor.«
    Als er den Kopf hob, sah sie seine roten Augen, die wund wie eine Schwäre wirkten. Dany bemerkte, dass Ser Barristan wie ein weißer Schatten näher zu ihr trat. Der Mann schlurfte stolpernd nach vorn, machte einen Schritt nach dem anderen und umklammerte den Sack. Ist er betrunken oder krank?, fragte sie sich. Unter den gebrochenen gelben Fingernägeln sah sie Dreck.
    »Was ist das?«, fragte Dany. »Hast du uns eine Beschwerde vorzulegen oder eine Bitte vorzutragen? Was möchtest du von uns?«
    Er fuhr sich mit der Zunge nervös über die spröden, gesprungenen Lippen. »Ich … ich habe …«
    »Knochen?«, fragte sie ungeduldig. »Verbrannte Knochen?«
    Er hob den Sack und schüttete den Inhalt auf den Marmorboden.
    Es waren Knochen, zerbrochene, verbrannte Knochen. Die längeren waren aufgebrochen worden, um das Mark herauszuholen.
    »Es waren der Schwarze«, sagte der Mann in knurrendem Ghiscari, »der geflügelte Schatten. Er kommen aus dem Himmel und … und …«
    Nein. Dany schauderte. Nein, nein, oh nein.
    » Bist du taub, Narr?«, herrschte Reznak mo Reznak den Mann an. »Hast du mir nicht zugehört? Geh morgen früh zu meinen Zahlmeistern, und du wirst für dein Schaf bezahlt.«
    »Reznak«, sagte Ser Barristan leise, »schließt den Mund und öffnet die Augen. Das sind keine Schafsknochen.«
    Nein, dachte Dany, das sind die Knochen eines Kindes.

JON
    Der weiße Wolf rannte durch einen schwarzen Wald, unter einer hellen Klippe entlang, die bis in den Himmel aufragte. Der Mond rannte mit ihm und preschte durch ein Gewirr von kahlen Ästen über den Sternenhimmel.
    »Snow«, murmelte der Mond. Der Wolf antwortete nicht. Schnee knirschte unter seinen Pfoten. Der Wind seufzte in den Bäumen.
    Aus weiter Ferne hörte er die Rufe seines Rudels. Es jagte ebenfalls. Wilder Regen prasselte auf seinen schwarzen Bruder nieder, während er am Fleisch einer riesigen Ziege zerrte. Der Regen wusch das Blut von seiner Seite, wo ihn das lange Horn der Ziege getroffen hatte. An einem anderen Ort hob seine kleine Schwester den Kopf und sang den Mond an, und hundert kleine graue Vettern unterbrachen ihre Jagd und sangen mit ihr. Bei ihnen waren die Hügel wärmer und voller Beute. In vielen Nächten fraß das Rudel seiner Schwester sich am Fleisch von Schafen und Kühen und Pferden satt, der Beute der Menschen, und manchmal sogar am Fleisch der Menschen selbst.
    »Snow«, schnatterte der Mond erneut. Der weiße Wolf trabte über den Menschenweg unter der eisigen Klippe. Der Geschmack von Blut lag ihm auf der Zunge, und in seinen Ohren hallte das Lied der hundert Vettern wider. Einst waren sie zu sechst gewesen, fünf hatten blind neben ihrer toten Mutter im Schnee gewinselt und kalte Milch aus den harten toten Zitzen gesaugt, während er allein davongekrochen war. Vier waren geblieben … und einen konnte der weiße Wolf nicht mehr spüren.
    »Snow«, beharrte der Mond.
    Der weiße Wolf rannte vor ihm davon auf die Höhle der Nacht zu, wo sich die Sonne versteckt hatte. Sein Atem gefror in der Luft. In sternlosen Nächten war die große Klippe so schwarz wie Stein, ein dunkles Etwas, das hoch über der weiten Welt aufragte, aber wenn der Mond herauskam, schimmerte sie hell und eisig wie ein gefrorener Strom. Das Fell des Wolfes war dick und zottelig, aber wenn der Wind über das Eis pfiff, konnte kein Pelz gegen die Kälte schützen. Auf der anderen Seite war der Wind noch kälter, spürte der Wolf. Dort war sein Bruder, der graue Bruder, der nach Sommer roch.
    »Snow.« Ein Eiszapfen fiel von einem Ast. Der weiße Wolf drehte sich um und fletschte die Zähne. » Snow!« Sein Fell sträubte sich, während sich der Wald um ihn herum auflöste. » Snow, Snow, Snow!« Er hörte das Flattern von Flügeln. Durch die Dunkelheit flog ein Rabe.
    Er landete auf der Brust von Jon Snow und scharrte mit den Krallen. » SCHNEE!«, kreischte er ihm ins Gesicht.
    »Ist ja schon gut.« Im Zimmer war es dunkel, die Matratze war hart. Graues Licht stahl sich durch die Fensterläden herein und versprach einen weiteren trüben kalten Tag. »Hast du Mormont auch so geweckt? Nimm deine Federn aus meinem Gesicht.« Jon zog einen Arm unter der Decke hervor, um den Raben zu verscheuchen. Es war ein großer Vogel, alt und kühn und zerzaust, frei von jeder Angst. » Snow!«, rief er und flatterte zu seinem Bettpfosten. » Snow, Snow!« Jon packte ein Kissen und warf es, aber der

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