0903 - Nächte der Angst
dieser Mann?« unterbrach ich die Lamentiererei.
»Wir kennen ihn kaum!« sagte Olivia. »Ach, ein Fremder.«
»Ja.«
»Hatte er auch einen Namen?«
Wieder schauten sich beide Frauen an. Diesmal war es Amanda Serrano, die beide Schultern hob.
»Jeder Mensch hat einen Namen, das wissen Sie selbst, Sinclair. Aber seinen vollen Namen kennen wir nicht. Er hat sich uns nur mit seinem Vornamen vorgestellt. Der Mann heißt Lou.«
»Nur Lou?«
»So stellte er sich vor.«
»Und Sie haben nicht nachgefragt?«
»Nein.«
»Was wollte Lou denn?« fragte Suko mit sanfter Stimme.
Diesmal lächelte Olivia Serrano ihn an und schielte dabei auf den kondensierten Atem vor ihren Lippen. »Er ist ein noch junger Mensch mit Ideen und Idealen. Er ist auf der Suche nach bestimmten Orten und Plätzen, weil er über sie schreiben will. Das ist alles.«
»Uns ist es nicht genug«, sagte ich. »Ich möchte mehr wissen, was die Orte und Plätze angeht, die er aufsucht.«
»Magische Zentren, wenn Sie verstehen.«
»Aha. Orte wie Stonehenge oder diese Lichtung hier…«
»Ja!« Beinahe hätte Olivia gejubelt. »Ja, so ist es gewesen. Er war davon überzeugt, ein magisches Zentrum vor sich zu sehen. Deshalb ist er gekommen.«
»Und? Hat er recht?«
»Was meinen Sie?« Amanda grinste mich an. »Schauen Sie sich um, Sinclair. Ist das hier ein magisches Zentrum? Spüren Sie irgendwelche Auren und Strahlen?«
»Es ist für mich nicht wichtig, sondern für diesen Lou, den Sie hergelockt haben.«
»Nein, nicht wir. Er ist von allein gekommen. Wir haben ihn nur geführt. Er hat sich hier umgeschaut und war davon ziemlich angetan.«
»Wann kehrt er zurück?«
»Das hat er nicht gesagt.«
»Und was er hier auf dem Platz vorhat, wissen Sie natürlich auch nicht, Ladies?«
Amanda wandte sich an ihre Schwester. »Weißt du es, Olivia?«
»Nein. Mir hat er nichts gesagt.«
»Mir auch nicht«, erklärte Amanda. »Er ist ja schnell wieder von diesem Platz verschwunden. Dabei hat er uns nicht mal gesagt, wann und ob er wiederkommen wird. Er hatte es plötzlich sehr eilig. Mehr können wir Ihnen nicht sagen. Sie müssen zugeben, daß wir schon kooperativ gewesen sind, oder meinen Sie nicht?«
»Sorry«, erklärte ich, »aber da sind wir anderer Meinung. Lou war lange genug im Haus.«
»Stimmt!«
Ich schaute Amanda an, die den Kopf etwas angehoben hatte, um mir ins Gesicht sehen zu können.
»Da hatten Sie beide Zeit genug gehabt, mit ihm über gewisse Dinge zu reden. Er wird Ihnen doch mehr über sein Vorhaben erklärt haben.«
»Das dachten wir auch, Sinclair. Wir haben ihn sogar gefragt, und das nicht nur einmal!« erklärte Olivia Serrano. Sie schaffte es sogar, ein zerknirschtes Gesicht aufzusetzen. »Aber Sie wissen ja selbst, wie das ist. Wenn jemand nichts sagen will, dann kann man noch so drängen. Man wird nichts aus ihm herausbekommen. Uns hat das geärgert, aber letztendlich war uns der Besucher doch sympathisch, so daß wir seinen Bitten nachgekommen sind und ihn an diesen geheimnisvollen Ort geführt haben, von dem die Legende berichtet, daß sich dort in grauer Vorzeit der Teufel und ein anderer Dämon gegenseitig mit Steinen beworfen haben. Die Reste davon finden Sie, wenn Sie sich umschauen.«
Beide Frauen verstanden es hervorragend, sich aus der Affäre zu ziehen. Sie sagten viel, im Endeffekt aber hatten sie gar nichts gesagt. Uns kam es auf den Besucher mit dem Vornamen Lou an. Es gab offiziell auch keinen Grund dafür, eine Fahndung nach ihm anlaufen zu lassen. Jeder konnte sich, zu welcher Stunde auch immer, irgendwelche Steine anschauen. Das war nicht verboten.
»Mehr wissen wir nicht!« flüsterte Amanda.
»Warum ist er nicht am Tag gekommen? Da wäre die Sicht doch besser gewesen?« fragte ich.
»Das war sein Problem. In der Nacht ist es zwar dunkel, aber geheimnisvolle Kräfte sind dann konzentrierter. Und das ist wohl hier gewesen, denke ich, denn Lou war ziemlich angetan, als wir ihn herumführten. Er hat einige Male zufrieden genickt.«
»Und natürlich nichts gesagt«, murmelte Suko.
»So ist es.«
»Sie wissen demnach nicht, was er vorhat?«
»Nein.«
Olivia mischte sich ein. Sie bat ihre Schwester darum, nach Hause zu gehen. Ihr war kalt geworden, und Amanda stimmte zu, während sie uns einen fragenden Blick zuwarf.
»Natürlich, gehen Sie nur«, sagte ich. »Es kann aber durchaus sein, daß wir uns mal wiedersehen.«
»Zum Kaffee?«
»Bestimmt nicht.«
»Sie trauen uns noch immer nicht,
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