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0905 - Puppenterror

0905 - Puppenterror

Titel: 0905 - Puppenterror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Was ist mit dem Buch?«
    »Du kennst es nicht. Ich will dir auch den Inhalt nicht nacherzählen«, sagte Alice schon wie eine Erwachsene. »Es geht jedenfalls um einen Puppendoktor, der sehr seltsam aussieht.« In den folgenden beiden Minuten lieferte das Kind eine exakte Beschreibung dieser Figur, und Grace hörte zuerst aufmerksam, später weniger aufmerksam zu. Sie war froh, als ihre Tochter schwieg.
    »Jetzt hast du mir alles gesagt, Alice, aber was hat denn dieser Puppendoktor mit deinem Verhalten zu tun?«
    Rechts und links des Kuchentellers bewegte Alice ihre Hände flach und kreisförmig über den Tisch.
    »Er war hier. Er war hier bei mir, Mum.«
    »Wer bitte?« Grace beugte sich vor, als hätte sie sich verhört.
    »Der Puppendoktor natürlich.«
    Grace Wonderby krauste die Stirn. »Was heißt hier natürlich? Du willst doch nicht damit sagen«, sie fing leise an zu lachen, »daß dich dieser Puppendoktor besucht hat?«
    »So ist es aber gewesen.«
    Röte überzog das Gesicht der Frau. Sie war ja von ihrer Tochter viel gewohnt, das aber schlug dem Faß den Boden aus. Ihr so etwas zu erzählen, war wirklich ein starkes Stück. Grace wußte im ersten Moment nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie schüttelte den Kopf, suchte nach Worten, gestikulierte wild herum und hatte endlich die richtige Antwort gefunden. »Ich bin ja einiges von dir gewöhnt, Alice. Bisher aber haben sich dein Vater und ich nicht ernsthaft über dich beklagen können. Wir sind immer auf deine Wünsche eingegangen, wenn sie sich im Rahmen der Normalität bewegten. Wir wissen beide, wie sehr du deine Bücher liebst und wir stark du mit den Geschichten lebst und leidest, wie auch immer. Aber daß du jetzt anfängst zu spinnen, das kann ich nicht mehr akzeptieren.«
    »Mum, ich habe nicht gesponnen.«
    Grace schloß die Augen. Sie zwang sich zur Ruhe. »Du bleibst also dabei, daß dich diese erfundene Gestalt aus dem Buch besucht hat?«
    »Ja, dabei bleibe ich.«
    »Das kann nicht sein.«
    »Doch, Mum. Sie war in meinem Zimmer. Sie erschien plötzlich in dem alten Spiegel.«
    »Bitte, wo?« Grace glaubte, sich verhört zu haben und legte sogar eine Hand gegen ihr linkes Ohr.
    »Im Spiegel, Mum, der in meinem Zimmer steht.«
    »Das stimmt doch nicht.«
    »Ich habe ihn da gesehen, und er hat sich sogar bewegt. Er winkte mir zu.«
    Grace Wonderbys Lachen klang etwas schrill. »Dann hast du vielleicht auch mit ihm gesprochen, wie?«
    »Nein, das habe ich nicht.«
    »Sondern?«
    »Ich habe es versucht, aber er hat mir keine Antwort gegeben. Der Puppendoktor ist stumm geblieben. Ich weiß nicht, warum, denn ich war freundlich zu ihm.«
    Grace holte tief Luft. Sie mußte sich beruhigen. Wenn ihr Mann zurückkehrte, so hatte sie in den letzten Sekunden beschlossen, sollte er sich die Kleine mal vornehmen und ihr ins Gewissen reden.
    Denn Alice war dabei, den Boden der Realität unter ihren Füßen zu verlieren. Sie verlor sich schon jetzt so stark in einer Traumwelt, daß sie diese von der Realität nicht mehr unterscheiden konnte.
    »Kind«, sagte Grace leise. »Ich war in deinem Zimmer, und glaub mir, ich habe auch den Spiegel gesehen. Ich sah mich selbst darin, es gab keine andere Person. Auch dich habe ich darin nicht erkennen können, weil du ja in einem anderen Winkel zu ihm gesessen hast. Der alte Standspiegel war völlig normal.«
    »Stimmt genau.«
    »Was?«
    »Dann war der Puppendoktor eben wieder weg.«
    Grace Wonderby stöhnte auf. Sie mußte sich eingestehen, daß sie gegen diese Logik nicht ankam.
    Also winkte sie mit einer Hand ab und sagte: »Es ist gut, Alice, es ist alles gut. Du hast deinen Puppendoktor im Spiegel gesehen, und ich habe meine Ruhe.«
    »Er ist aber nicht mein Puppendoktor.«
    »Meinetwegen auch das.«
    Alice schaute ihre Mutter an. »Ich habe aber Angst, Mum. Richtige Angst. Ehrlich.«
    »Vor wem denn?«
    »Vor ihm, dem Puppendoktor.«
    Diesmal klang das Lachen der Frau echt. »Das darf doch nicht wahr sein. Wenn du Angst hast, nimm das Buch, wirf es weg oder verbrenne es. Diesen Rat kann ich dir geben.«
    »Das ist keine Lösung. Du darfst nicht vergessen, daß ich ihn im Spiegel gesehen habe.«
    »Und du darfst nicht vergessen, Kind, daß ich dir einfach nicht glauben kann.«
    »Schade.« Alice senkte den Kopf. »Dann stehe ich ganz allein.« Sie sprach weiter. Die Worte waren mehr gegen sich selbst gerichtet. »Ich weiß, daß er noch einmal kommen wird, und ich glaube auch, daß meine Puppen Angst bekommen

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