0906 - Ein Monster aus der Märchenwelt
vorstellen, daß es trotzdem Polizisten gibt, die so etwas wie Phantasie mitbringen und möglicherweise darauf spezialisiert sind, gewisse Fälle, bei denen andere passen, zu lösen? Geht das in Ihren Kopf hinein?«
»Meinen Sie etwa sich damit?«
»Nicht nur, auch meinen Partner.«
»Hochmut…«
»Nein, nein, Miß Perl.« Ich ließ sie nicht zu Ende reden. »Es hat mit Hochmut nichts zu tun. Sie sollten sich daran erinnern, daß es meinem Kollegen gelungen ist, diese Schaufensterpuppen zu vernichten. Er hat sie ausgeschaltet, und das wäre nicht geschehen, wenn wir so wären, wie Sie uns einschätzen.«
Diana Perl senkte den Blick. Ich hatte bei ihr einen schwachen Punkt erwischt.
»Dann sollten Sie auch weiterhin daran denken, daß wir Sie beide hier gefunden haben. Es muß also einen Weg geben, der uns zu Ihnen hier führte.«
»Und weiter…?«
»Wollen Sie nicht den Grund wissen?«
Die Frau hob nur die Schultern.
»Dann will ich Sie nicht länger im unklaren lassen, Miß Perl. Eine Ihrer Puppen wurde auf einer Müllhalde entdeckt. Es war eine der lebenden Dinger. Sie können sich vorstellen, daß die dort Beschäftigten nicht eben begeistert waren. Zuerst glaubten sie an eine Täuschung. Als sich die Vorfälle häuften, wurde ich eingeschaltet, und ich habe diese Puppe verfolgt. Es war mein erster Kontakt. Daß wir Sie und Ihren Partner dann fanden, war nicht weiter schwierig. Diese Puppe war eine Tatsache, und sie muß irgendwoher gekommen sein. Jetzt liegt es auf der Hand, daß sie aus Ihrem Lager stammt.«
»Na und?« sagte sie patzig. »Und wenn schon. Sie kann doch keinen Schaden mehr anrichten.«
»Richtig. Sie nicht und auch die anderen Puppen nicht, die wir hier erledigten.«
»Was wollen Sie dann noch Sinclair? Der Fall ist erledigt, es gibt keine lebenden Puppen mehr.«
»Stimmt. Nur will ich gern wissen, wie es dazu gekommen ist. Ich kann jetzt in ein Kaufhaus gehen und mir dort Puppen anschauen. Keine davon wird sich aus eigener Kraft bewegen können. Da steckt etwas dahinter, und Sie werden darüber Bescheid wissen, denke ich.«
»Meinen Sie?« Die Perl bekam wieder Oberwasser und schlug ein Bein über das andere.
»Ich bin mir sogar sicher.«
»Und Sie wollen was von mir hören.«
»Ja.«
Sie grinste scharf. »Werden Sie aber nicht!«
»Das ist schade.«
»Klar, für Sie, Bulle.«
»Nein, nein, mehr für Sie, Miß Perl. Sie sind es doch, die bald dieses Atelier mit einer Zelle tauschen werden. Man wird und man kann Sie einsperren. Ich habe Ihnen die Vergehen aufgezählt, und ich denke nicht, daß es Ihnen Spaß machen wird. Ihr Partner ist noch mehr aus dem Rennen. Sollte er wieder auf die Beine kommen, was noch nicht feststeht, wird er ebenfalls auf der Anklagebank sitzen. Wenn Sie genauer nachdenken, sind Ihre Chancen nicht groß.«
Die Perl dachte nach. Wenigstens schon ein Vorteil. Sie schaute sich dabei auch in ihrem Atelier um, als wollte sie noch einmal überprüfen, was sie alles verlieren könnte, wenn sie sich wenig kooperativ zeigte. Da mußte sie schon abwägen, denn ihre Puppen konnte sie auf keinen Fall in eine Zelle mitnehmen.
Sie ließ sich von mir eine Zigarette geben, auch Feuer, rauchte, warf dem ruhig zuhörenden Suko einen Blick zu, als erwartete sie auch von ihm eine Anklage, und fragte dann mit etwas leiserer Stimme: »Was ist für mich drirt bei diesem Deal?«
Ich runzelte die Stirn. »Es kommt ganz darauf an, wie der Deal aussieht und wie ich davon profitiere. Ich will die Puppen, die eventuell noch übrig sind und irgendwo herumlaufen. Aber ich will noch mehr. Ich will wissen, was dahinter steckt.«
»Was kann denn dahinterstecken?« fragte sie und sprach die Worte in den ausfließenden Rauch hinein.
Ich war ehrlich und antwortete: »Magie!«
Sie hob nur die Augenbrauen.
»Ja, Magie!« wiederholte ich. »Schlicht und einfach auszusprechen, aber in der Sache doch kompliziert. Das ist meine Meinung, und ich kann Ihnen auch sagen, daß mein Partner und ich auf magische Fälle spezialisiert sind. Das müssen Sie mir glauben.«
Sie nahm die Erklärung an. »Magie also - gut. Aber welche Magie meinen Sie denn?«
»Ich weiß es nicht, und deshalb sollten Sie etwas aus dem Schatzkästchen Ihrer Erfahrungen preisgeben.«
Diana Perl hob eine Hand und betrachtete ihre Fingernägel, die nicht sehr gepflegt wirkten, aber sie war Künstlerin und arbeitete mit Farben und Werkzeugen. »Sind Sie noch bereit, wie ein Kind zu denken, Sinclair? Haben Sie sich
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