0909 - Das Opfer
Metall nur verschwommen. Es kam ihr so vor, als wäre sie schon dabei, sich als Mensch allmählich zurückzuziehen.
Romana wollte noch etwas sagen und hob den Kopf an. Die Stelle, wo der Blutsauger gestanden hatte, war leer.
Er hatte sich lautlos zurückgezogen und befand sich bereits in Höhe der Tür. Von dort winkte er ihr zu.
»Warte in der Nacht auf mich…«
Mehr sagte er nicht. Bedächtig zog er die Tür wieder auf und verließ das Haus.
Romana Kendrake blieb zurück. Sie wußte nicht, was sie tun sollte, und sie fragte sich, ob es nicht besser war, wenn sie das Messer nahm und sich die Klinge ins Herz stieß.
Nein, das brachte sie nicht fertig.
Deshalb steckte sie es wieder in die Scheide.
Sie hatte sich entschlossen, auf den Vorschlag des Vampirs einzugehen. Die folgende Nacht würde alles verändern!
***
Jane Collins wußte nicht, wohin sie fuhren. Jedenfalls bewegte sich der schwere Mercedes nicht auf der Autobahn, sondern wurde über Land- und Nebenstraßen gelenkt. Jane vermutete, daß sie diese Straße wohl nie mehr in ihrem Leben zu sehen bekam, deshalb schaute sie auch nur hin und wieder aus dem Fenster. Ansonsten führte sie mit Sir Walter Kendrake eine leise Unterhaltung.
Sie hatte diesen eisenharten Geschäftsmann von einer anderen Seite kennengelernt. Von der Seite eines Vaters, der sich große Sorgen um seine Tochter machte, die seit Jahren gelähmt in einem Rollstuhl saß und keine Chance hatte, ihn je gesund wieder zu verlassen. Das hatten ihm die Ärzte erklärt, und er hatte ihnen glauben müssen.
Jane kam schließlich auf eine Mrs. Kendrake zu sprechen, und das Gesicht des Mannes verschloß sich.
»Es gibt sie nicht mehr.«
»Tot?«
»Ja.«
»Hm…«
»Wollen Sie mehr wissen, Miß Collins«
»Es liegt an Ihnen. Nur wenn Sie darüber reden wollen.«
»Nicht gern«, gab er zu und schaute stur geradeaus. »Aber auch Sie sind über Ihren eigenen Schatten gesprungen, und da will ich nicht nachstehen. Meine Frau hat sich vor einigen Jahren auf eine gemeine Weise von mir abgewandt. Sie beging Selbstmord. Eine Überdosis an Tabletten, das ist es gewesen.«
»Weshalb beging sie Selbstmord?« fragte Jane.
Kendrake hob die Schultern. »Es kam vieles zusammen. Das Schicksal unserer Tochter, meine häufige Abwesenheit, die Geschäfte, wir beide haben uns auseinandergelebt. Wir hatten uns auch nicht mehr viel zu sagen. Durch Romana war sie einfach überfordert, obwohl ihr Greta, unsere Hilfe, vieles abnahm. Eines Nachts war es dann soweit. Sie schlief wieder in einem nur von einer Person besetzten Doppelbett, konnte es nicht mehr aushalten und schluckte die Tabletten. Ich befand mich zu dieser Zeit in Manila. Man verständigte mich telefonisch. Nun ja, der Rest ist für Sie nicht wichtig.«
»Und Sie haben sich dann um Ihre Tochter gekümmert.«
»So gut wie möglich.«
»Und nun ist sie von einem Vampir besucht worden.« Jane schüttelte den Kopf. »So recht glauben kann ich es noch nicht, aber das wollen wir dahingestellt sein lassen. Ich möchte Ihnen nur noch sagen, daß ein Vampir nicht einfach aus der Luft kommt und plötzlich da ist. Er muß einen Grund gehabt haben, daß er Ihre Tochter besuchte. Kennen Sie diesen Grund?«
»Nein.«
»Hatte Ihre Tochter irgendwelche Beziehungen in diese Richtung?«
»Wie meinen Sie das denn?«
»Nun ja, es gibt Menschen, die an Vampire glauben, Menschen, die Vampire gesehen haben. Kann es sein, daß sich Ihre Tochter mit dieser Materie beschäftigt hat?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Überlegen Sie!«
»Miß Collins«, sagte er mit lauter gewordener Stimme. »Meine Tochter hat ihr eigenes Leben geführt, so wie ich mein Leben führte. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Sie hat viel gelesen - ja, aber glauben Sie mir, wir haben nie über Vampire gesprochen. Das können Sie glauben oder auch nicht, aber es ist so.«
»Okay, dann weiß ich Bescheid.«
»Sie sollen sich um meine Tochter kümmern. Sie sollen sie vor etwas Schrecklichem bewahren, und dafür zahlte ich Ihnen zehntausend Pfund oder auch noch mehr, wenn Sie wollen.«
»Geld ist in diesem Fall nicht alles.«
»Schön, daß Sie es so sehen, aber ich mußte es Ihnen einfach sagen, Miß Collins«
»Natürlich.«
Er räusperte sich. »Ich habe Leute um mich herum, aber Raki und Krishan sind natürlich keine Psychologen oder Menschen, die anderen Trost spenden können. Das gelingt auf keinen Fall. Selbst die gute Greta ist damit überfordert, und so setze ich voll und ganz auf
Weitere Kostenlose Bücher