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0911 - Nachtgestalten

0911 - Nachtgestalten

Titel: 0911 - Nachtgestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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metallisch roch und ihn aus Gründen, die er rational nicht fassen konnte, an ein Gewitter denken ließ.
    »Wusste ich doch, dass ich etwas vergessen hatte.« Als die Stimme in seinem Rücken ertönte, war Mustafa zu geschockt, um sich zu wehren. Bevor er wusste, was überhaupt geschah, schlugen große, mit rasiermesserscharfen Klauen bewehrte Pranken in seinen Rücken. Sie zogen blutige Bahnen in sein Fleisch und rissen ihm die Haut vom Körper. Mustafa schrie auf, drehte sich zu dem Angreifer um und versuchte gleichzeitig, die Pistole aus dem Halfter zu ziehen, das er am Gürtel seiner Nachtwächteruniform trug.
    Dann sah er, wem er da gegenüberstand. Und die Hand, die nach der Waffe greifen wollte, verharrte in der Luft. Antriebslos.
    Das… Wesen war knapp zwei Meter groß und unglaublich breit. Es hatte dunkle, ledrige und mit Borsten überzogene Haut. Aus seinem Rücken wuchsen zwei breite Schwingen, und spitze Hörner ragten auf seiner Stirn auf. In seinen schwarzen, pupillenlosen Augen loderte ein Feuer, wie Mustafa es noch nirgendwo gesehen hatte.
    »Allah!«, hauchte er entsetzt.
    Das Monster lachte. Blut tropfte von seinen Klauen. »Leider falsch. Asmodis ist der werte Name, aber der hat für dich jetzt auch keine Bedeutung mehr.« Und dann hob es abermals die Pranken und riss ihm in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung den Brustkorb auf und das Herz aus dem Leib. Mustafa sah es in seinen Klauen pulsieren, dann stürzte der Marokkaner in eine tiefe Finsternis.
    ***
    Nachdem er fertig war, blickte sich Asmodis noch einmal im Tresorraum um. Die Aufnahmen der Überwachungskameras waren unbrauchbar gemacht, die Schließfächer nach wie vor sperrangelweit geöffnet und die sterblichen Überreste des unglücklichen Mannes, der ihn und Luc leider überrascht hatte, im gesamten Zimmer verteilt. Das wär's dann wohl , dachte der Dämon, griff sich noch einen Stapel Geldscheine und machte sich daran, den Tatort zu verlassen.
    Während er sich wieder in seine aktuelle menschliche Gestalt verwandelte, kam er nicht umhin, an Luc zu denken. Zum zweiten Mal hatte der Kleine ihn jetzt schon enttäuscht. Doch die Sterne sind eindeutig! Die Anzeichen stimmen alle. Und er hat unglaubliches Talent.
    Asmodis steckte sich das Geld in die Manteltaschen. Nein, er muss es sein. Dieser Junge hat… etwas. Etwas, das weit über seine Erscheinungsform und die Grenzen seiner menschlichen Existenz hinausgeht. Vielleicht war ich einfach nur zu sanft zu ihm. Vielleicht braucht er mehr als nur einen kleinen Schubs, um sein wahres Potenzial zu entfalten.
    Die Zeit für Samthandschuhe war vorbei. Und wenn es mehr war, das er brauchte, beschloss Asmodis, ihm dieses Mehr zu geben.
    ***
    Chefinspektor Pierre Robin starrte lange auf die Fotos, die vor ihm auf dem Monitor seines Desktop-PCs erschienen waren. Der Sicherheitsdienst des Bleistifts hatte sie gemacht und ihm gemailt.
    Bilder voller Blut und Grauen, Wunden und Spuren unglaublicher, unmenschlicher Gewalt. Bilder wie die, die hinter Robin an der Pinnwand hingen. Thomas Brewster, Adam Mitchell, Mustafa el-Fetouh… , dachte der Inspektor. Der Nachtwächter aus der Boutique…
    Und auf einmal ging ein Ruck durch seinen Körper. Robin atmete tief ein, beugte sich vor und ergriff das kleine Telefon, das neben dem Monitor auf dem mit unzähligen Berichten und anderem Papierkram übersäten Schreibtisch stand. Mühelos erinnerte er sich an die Nummer des Anschlusses, den er zu wählen beabsichtigte. Er hatte sie schließlich erst vor Kurzem gewählt.
    Es tutete zwei Mal, dann stand die Verbindung. »Zamorra, hier ist Pierre«, sagte Robin, ohne sich mit langen Begrüßungsfloskeln aufzuhalten. Dies war nicht die Zeit, um eine alte Freundschaft aufleben zu lassen. »Ich brauch dich hier in Lyon. Wann kannst du bei uns sein?«
    ***
    »Sehen Sie, Monsieur le professeur , schon geht es los.«
    Zamorra hob amüsiert eine Augenbraue und sah seinen langjährigen Butler skeptisch an. »Sie wollen andeuten, dass…«
    »Der Anruf von Chefinspektor Robin war bestimmt kein Zufall.« William nickte eifrig. »Ich sage Ihnen, da muss es einen Zusammenhang zu dieser Nostradamus-Prophezeihung geben, auf die ich Sie vor einigen Tagen aufmerksam gemacht habe.«
    Der Meister des Übersinnlichen griff sich das leichte weiße Jackett, das über der Rückenlehne seines Stuhls hing, schlüpfte hinein und verließ an Williams Seite den Raum. Während die beiden Männer durch den Flur im Nordturm des Château

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