0913 - Das Gespenst
trank, und er hätte im Prinzip zufrieden sein können, was er aber nicht war. Er spürte eine gewisse Unruhe in seinem Innern, er war nervös. Wie jemand, der auf etwas Schlimmes wartete.
Da war nichts, da kam auch nichts, und trotzdem wollte sich bei ihm kein Glücksgefühl einstellen.
Er trank eine Dose leer. Die Wurst schmeckte ihm nicht mehr. Er wickelte sie wieder in das alte Fettpapier ein und verstaute sie in seinem Rucksack.
Das Messer behielt er bei sich am Körper, und er klappte es nicht mal zusammen. Irgendwie hatte er das Gefühl, sich einfach verteidigen zu müssen oder verteidigungsbereit zu sein, obwohl er keinen Gegner in seiner Nähe sah und auch nichts auf einen Angriff hindeutete.
Um diese Zeit hatte sich selbst der Wind zurückgezogen, worüber sich der Mann wunderte. Er kannte es anders, denn gegen Abend frischte der Wind immer auf, doch heute hielt er sich zurück. Es wehte kaum ein Lüftchen durch die Öffnungen und Spalten.
»Ich spinne wohl langsam«, murmelte er und drehte sich um. Dann kroch er in sein »Haus«, in dem er nur knien, aber nicht stehen konnte. Im Innern, das er mit seiner Taschenlampe ausleuchtete, lag der Staub nicht so dick. Hansen fand sogar noch eine Decke, die allerdings muffig roch. Deshalb ließ er sie in der Ecke liegen.
Er würde wie so oft seinen Rucksack als Kopfkissen zweckentfremden, und er war auch der Meinung, sich diese lange Schlafpause verdient zu haben. Am vergangenen Tag war er lange gewandert.
Hansen war müde. Lange würde er nicht mehr wachbleiben.
Und doch konnte Sven keinen Schlaf finden, obwohl er es sich so bequem wie möglich gemacht hatte. Er hatte schon unter schlechteren Bedingungen übernachtet, aber er fand an diesem Abend keine Ruhe. Es lag an seinen Gedanken und zunehmend auch an seiner inneren Bereitschaft. Er konzentrierte sich auf jedes Geräusch!
Hansen hatte sich so gedreht, daß sein Gesicht dem Ausgang zugewandt war. Er schaute in die Kapelle hinein, wo die Trümmer lagen, das alte Holz, und alles kam ihm aus seiner Perspektive groß vor. Er konnte auch durch die Fensterlöcher nach draußen sehen. Am wolkenlosen Himmel leuchteten die Gestirne. Sie schienen dem einsamen Schläfer Grüße zuzusenden.
So wartete Hansen, und die Spannung nahm nicht ab.
Er hörte sich selbst atmen, abgehackt und unregelmäßig, ganz anders als sonst.
Das wiederum lag an seiner inneren Nervosität, die Hansen einfach nicht abstreifen konnte. Im Körper spürte Sven ein Kribbeln. Erklären konnte er es sich nicht. Nur hatte er das Gefühl, daß irgend etwas noch in dieser vor ihm liegenden Nacht geschehen würde. Er konnte sich nichts vorstellen, weil es nichts gab, auf das er sich hätte beziehen können, doch das Gefühl war da. Hansen spielte schon mit dem Gedanken, diesen Unterschlupf zu verlassen. Er schalt sich selbst einen Narren, daß er so dachte, denn er hatte schon an weitaus gefährlicheren Stätten übernachtet, wobei er diesen Ort jedoch überhaupt nicht als gefährlich ansehen mochte.
Er war nur einfach seltsam und rätselhaft.
Trotz der inneren Unruhe blieb Hansen normal liegen und blickte durch die Öffnung in die Kapelle.
Nichts tat sich da.
Draußen war ebenfalls alles ruhig. Der Wind schlief noch immer. Da bewegte sich etwas!
Hansen lag plötzlich völlig regungslos und hielt den Atem an. Seine Augen blieben weit offen, und er blickte dorthin, wo er die Bewegung zu sehen geglaubt hatte.
Das war außerhalb der Kapelle gewesen, dicht an der Wand mußte es gewesen sein.
Irrtum oder Tatsache?
Hansen erinnerte sich wieder an seine Entdeckung aus der Ferne. Da waren der Schatten und der Reiter gewesen, und was hinderte beide daran, zurückzukehren?
Warten, lauern…
Vielleicht kehrte der Schatten ja in das Innere der Ruine zurück. Die Minuten vergingen, und sie kamen dem Mann vor wie kleine Ewigkeiten.
Es tat sich nichts.
Wieder ein Irrtum, versuchte er sich einzureden. Du hast dich geirrt, es stimmt nicht. Du bist einfach überspannt. Du siehst Dinge, die es nicht gibt. Es ist Quatsch, du brauchst dich nicht verrückt machen zu lassen.
Er hämmerte es sich immer wieder ein. Er mußte lange darüber reden, bis er von sich selbst überzeugt war. Er kannte dieses Spiel. Im Laufe der Zeit hatte er es sich angewöhnt, und Hansen hatte es auch geschafft, sich auf eine derartige Art und Weise zu beruhigen.
Bis er den Hufschlag hörte.
Das war kein Irrtum.
Noch einmal war er zusammengezuckt, um dann steif liegen zu
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