0913 - Das Gespenst
anschneiden.«
»Das ist ja nicht schlecht.«
»Meine ich auch.«
»Wie hat es McDuff aufgefaßt?«
»Er spielt mit. Ich glaube, er ist auf eine gewisse Art und Weise auch froh, daß er etwas Abwechslung bekommt. Ich denke mir, daß er bald seine Runde um das Haus drehen wird. Möchtest du ihn vielleicht mal sprechen?«
»Nein, das ist nicht nötig, Mutter. Du kannst beide von mir grüßen.«
»Rufst du noch mal an?«
»Das versteht sich.«
Sie seufzte, was mir nicht gefiel. »Weißt du, John, ich glaube nicht, daß ich in der nächsten Nacht schlafen kann.«
»Du solltest es versuchen.«
»Das sagst du so leicht.«
»Wir werden sehen.«
»John…?«
»Was ist, Mutter?«
»Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, was hier gespielt wird? Oder was noch geschehen könnte?«
»Das habe ich, Mutter, aber ich will ehrlich dir gegenüber sein. Leider muß ich passen. Ich habe noch kein Motiv herausgefunden. Das wird sich hoffentlich morgen ändern, wenn ich bei euch bin. Ansonsten müssen wir mal sehen.«
»Ja, ja…« murmelte sie, holte Luft und sprach weiter. »Es könnte nicht mit unserer Familie direkt zusammenhängen?«
»Doch.«
»Danke, Junge, daß du auch so denkst. Dein Vater hatte schon Angst, daß er durch seinen kurzen Blackout, er hat sich ja nicht an einen Angriff auf mich erinnern können, in die Alzheimerische Krankheit abgerutscht ist. Verstehst du?«
»Himmel, ja! Aber das ist nicht so.«
»Ich habe es ihm zu erklären versucht. Du kannst dir vorstellen, daß es nicht leicht für mich gewesen ist.«
»Das glaube ich dir, Mutter«, erwiderte ich flüsternd. »Bei mir wäre es auch nicht anders gewesen. Verdammt noch mal, wenn ich doch nur bei euch sein könnte.«
»Du brauchst dich nicht zu grämen, John. Die folgende Nacht überstehen wir noch. Dein Vater und ich sind schon gemeinsam durch manches Feuer gegangen, das hier werden wir auch hinter uns bringen. Okay?«
»Klar, Mutter.«
Sie verabschiedete sich von mir, und ihre Stimme hörte sich verstockt an, als würde sie mit den Tränen kämpfen. Wir waren eben Lebewesen und keine Maschinen.
Auch ich blieb nachdenklich neben dem Telefon stehen. Mir war wirklich nicht wohl zumute. Wut stieg in mir hoch, weil ich einfach nicht herausfinden konnte, wer uns da bedrohte. Ein schlimmer Schatten, der aus der Vergangenheit gekommen war und uns jetzt eine Rechnung präsentierte.
Der Name Sinclair - Fluch oder Segen?
Darauf konnte ich keine Antwort geben. Dann rief Suko an. »Bei dir war vorher besetzt, John, gibt es etwas Neues?«
»Nein nichts, was die Dinge verändert hätte.«
»Aber.«
»Ich sprach nur mit meiner Mutter. McDuff ist jetzt bei ihnen und gibt acht.«
»Was ist mit dem alten Herrn?«
»Das kann ich dir nicht genau sagen. Er macht sich natürlich Sorgen, er stellt Fragen und denkt an eine schlimme Krankheit, die ihn erwischt haben könnte, doch das alles müssen wir vergessen. Hier geht es um andere Vorgänge, die wir leider noch nicht überblicken können, so schlimm dies auch ist.«
»Sollen wir zu dir kommen?«
»Wenn ihr wollt.«
»Dann bist du nicht so allein. Shao möchte auch etwas mitbringen. Eine Kleinigkeit.«
»Was denn?«
»Sie hat Frühlingsrollen gebacken. Dazu gibt es ihre Spezialsoße.«
Nach längerer Zeit konnte ich wieder mal lächeln. »Ihr wißt genau, womit ihr mich locken könnt.«
»Aber klar doch.«
»Dann kommt rüber.«
»Bis gleich.«
Ich brauchte jetzt einen Whisky, und ich rauchte eine Zigarette. Zu öffnen brauchte ich nicht, denn Suko und Shao besaßen einen Schlüssel zu meiner Wohnung.
Er trug das Tablett, und Shao hatte sich mit zwei Bierflaschen bewaffnet.
Als ich die beiden sah, mußte ich den Kopf schütteln. Auf der einen Seite war das Leben so völlig normal für mich, eben wie bei jedem anderen Menschen, auf der anderen aber fiel ich immer wieder in das magische Loch, das diese normale Existenz oft genug so irreal werden ließ. Es war wirklich nicht einfach, damit zurechtzukommen.
Ich hatte das Glas geleert und drückte auch die Zigarette aus, während Shao das Tablett auf den Tisch stellte und es nicht zuließ, daß ich das Geschirr aus der Küche holte. »Das mache ich schon, John, bleib du bei Suko.«
»Da hast du es«, sagte mein Freund.
»Tja, so sind die Frauen eben, daran ändert auch die Emanzipation nichts.«
»Nur manchmal«, schränkte Suko ein.
»Und ich habe noch immer keinen Hinweis, keine Spur oder irgendeinen Tip«, kam ich wieder auf das
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