0913 - Das Gespenst
wurde. Danach hatte der Sergeant natürlich gefragt, was auch ganz natürlich war.
»Und sollte Ihnen irgend etwas auffallen, McDuff, bitte rufen Sie mich sofort an.«
Er hatte es mir versprochen, aber wie schon erwähnt, ich fühlte mich trotzdem nicht besser.
Es gab plötzlich Dinge, mit denen ich nicht zurechtkam, denn ich war nicht genau informiert.
Mir war nicht bekannt, welche Kraft da so brutal in das Leben meiner Eltern eingegriffen und meinen alten Herrn beinahe zum Mörder gemacht hatte.
Sie mußte sehr stark sein, sie war sicherlich auch aus einer anderen Dimension gekommen, wobei ich darüber nachdenken mußte, ob die Hölle ihre Hände im Spiel hatte oder es nur mit den Personen der beiden Sinclairs, vielleicht nur mit dem Namen zusammenhing.
Da lag etwas in der Luft.
Seit ich eine gewisse Geraldine Sinclair kennengelernt hatte, ging ich davon aus. Dieses Gefühl war geblieben. Es wollte nicht weichen, auch wenn ich versucht hatte, es zu verdrängen. Unterschwellig war es geblieben, und schlimm fand ich dabei, daß es an mir einfach vorbeilief, obwohl ich ja auch betroffen war.
Aber ich kam nicht zurecht. Die Dinge hatten sich zu schlimm und zu bösartig entwickelt, mich nur gestreift, obwohl ich davon ausgehen mußte, daß man mich ebenfalls meinte.
Ich war ein Sinclair. Ich trug diesen Namen, der schon recht geschichtslastig war. Nicht nur in Schottland, sondern auch in einem anderen Land, im Reich der Gallier, in Frankreich, denn ursprünglich stammte der Name Sinclair von dort. Nur war er da anders geschrieben worden. Als St.Clair, und die St.Clairs waren in diesem Land verfolgt worden, deshalb hatten sie die Flucht über den Kanal gewagt, um nach England oder Schottland zu gelangen. Doch auch dort waren sie verfolgt worden, zumeist wegen ihres Glaubens, deshalb war ein gewisser Henry St. Clair mit einem Schiff in Richtung Westen gefahren, um den Verfolgern zu entgehen. Angeblich hatte er noch vor Kolumbus Amerika entdeckt, das jedenfalls wurde in mehreren Schriften erwähnt.
Für mich, einen Nachkommen, war es nicht einfach, zwischen diesen Dingen die Linien zu knüpfen, und ich ging wiederum davon aus, daß auf mich eine Lawine zurollte, deren Ursprung eben mit dem Namen Sinclair zu tun hatte.
Auch in der Gegenwart hatte sich für mich der Kreis zwischen England und Frankreich geschlossen.
Im Süden gab es einen geschichtsträchtigen Ort mit dem Namen Alet-les-Bains, für mich gewissermaßen eine zweite Heimat, denn dort lebten die Templer, die nach erfolgreichen Feldzügen für den Heiligen Stuhl im Mittelalter schließlich unbarmherzig verfolgt worden waren. Allein aus Neid, Habsucht und Geldgier. Man hatte sie in alle Winde zerstreut, aber man hatte es nicht geschafft, die Wurzeln dieses Ordens zu zerstören. Es gab sie noch, doch es gab sie nicht nur als gute Menschen, sie waren ebenfalls verschiedene Wege gegangen, und eine Richtung hatte sich einem mächtigen Dämon zugewandt: dem grausamen Baphomet.
Damit hatte ich nichts zu tun und auch nicht meine Freunde aus Alet-les-Bains. Im Gegenteil, wir bekämpften diesen Zweig der Templer, aber das alles schoß mir nur wie nebenbei durch den Kopf.
Ich mußte mich jetzt um meinen eigenen Namen und um dessen Herkunft kümmern.
Für mich lag ein Geheimnis im dunkel der Vergangenheit, und ich wollte es unbedingt lüften.
Immer wieder schaute ich auf das Telefon.
Es blieb stumm.
Ich wußte nicht, ob ich mich darüber freuen oder mir Sorgen machen sollte. Solange es schwieg, war in Lauder, wo meine Eltern lebten, nichts passiert.
Oder?
Meine Unruhe steigerte sich. Der Tag neigte sich allmählich seinem Ende entgegen. Über der Millionenstadt wurde der große schwarze Teppich ausgerollt.
Ich fühlte mich nicht wie ein erwachsener Mensch, sondern mehr wie ein Kind, das nicht logisch reagierte, sondern sich nur auf seine Gefühle verließ.
Und dieses Gefühl sagte mir, daß ich bei meinen Eltern anrufen mußte, um mich zu erkundigen, wie es lief.
Ich wählte die Nummer, wartete ungeduldig und war froh, als ich die Stimme meiner Mutter hörte, die so herrlich normal klang, wie ich zumindest annahm.
»Hallo, Mutter!«
»Du bist es, John - schön.«
»Was macht Dad?«
Sie lachte leise. »Er und McDuff spielen Karten. Sie reden miteinander, und beide kommen mir vor wie zwei Menschen, die sich gegenseitig belauern, wobei der eine nicht weiß, was dem anderen bekannt ist und sie deshalb ein gewisses Thema einfach nicht
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